Jopie Heesters: Ärger um Heimkehr nach Holland
Am Samstag tritt der Jahrhundert-Star erstmals seit Jahren wieder in seiner Heimat auf. Das Konzert in den Niederlanden ist ausverkauft, aber wegen Heesters' Vergangenheit formiert sich Widerstand. Wie sich Jopie auf seine Heimkehr freut - und warum er von den Protesten nichts weiß.
AMERSFOORT/MÜNCHEN Im Frack, den Zylinder in der Hand, steht er auf der Bühne, besingt „O Mooie Westerntoren“, den schönen Westernturm – und manche, vielleicht alle im Saal singen mit, lächeln ihm zu ... So hat sich Johannes „Jopie“ Heesters seit Jahrzehnten seine Heimkehr nach Holland ausgemalt. Kein Gedanke, dass ihn seine Vergangenheit einholen könnte.
Am Samstag tritt der 104-Jährige erstmals in seiner Geburtsstadt Amersfoort bei Amsterdam auf – sein zweiter Auftritt im Königreich nach dem Krieg. Wegen seiner Karriere im Nazi-Deutschland war er lange Zeit unerwünscht in den Niederlanden. Erst im letzten Jahr, als er in einem Interview wieder einmal über sein Heimweh sprach, reagierte Direktor Pieter Erkelens vom „De Flint“-Theater: „Wo sollte er auftreten – wenn nicht in seiner Heimatstadt?“
"Endlich bin ich willkommen"
Die 800 Karten waren im Nu verkauft. Jopie freute sich: „Endlich bin ich willkommen.“ Nicht bei all seinen Landsleuten. Seit Tagen formiert sich ein heftiger Widerstand gegen den „Nazi-Freund“.
„Heesters raus“, fordert der Bund der Antifaschisten und lädt zu einer Demo. Der Pianist Marcel Worms, der im KZ einige Angehörige verlor, gibt zeitgleich mit Jopie ein Gegenkonzert.
Mahnwache vor dem Theater
Hein van Kasbergenn vom Bund der Antifaschisten zur AZ: „Wir wollen nicht, dass Heesters rehabilitiert wird.“ Eine Mahnwache mit Fackeln vor dem Theater ist geplant. Die Teilnehmer wollen – in der Kluft von KZ-Häftlingen – Widerstandslieder aus der Besatzungszeit singen. 25 von ihnen haben sich trotz strenger Sicherheitsvorkehrung Karten für das Heesters-Konzert besorgt. Für den Abend sind scharfe Kontrollen und Publikums-Schleusen geplant, Störer werden aus dem Saal geworfen.
Theater-Direktor Erkelens: „Wir wissen, dass Heesters eine beschwerliche Vergangenheit hat. Aber ich entscheide nie nach politischen Vorzügen, sondern ich schaue, dass wir gute Künstler bekommen.“ Und: „Ich bin stolz, dass Jopie Heesters bei uns auftritt.“
"Ich wünsche mir, dass diese neuen Bande halten"
Der erblindete und schwerhörige Jahrhundert-Star bekommt von dem Wirbel wenig mit. „Ich möchte Jopie vorab damit nicht belasten“, sagt seine Frau Simone Rethel (58) zur AZ. „Er hat so lange auf diesen Abend gewartet.“ Sie reicht den Telefonhörer an ihn weiter: „Mein Land, meine Geburtsstadt und ich gehen aufeinander zu“, sagt Jopie, der sich nach seinem Sturz im Dezember und einer Grippe wieder „ganz gut“ fühlt. „Ich wünsche mir, dass diese neuen Bande halten.“
Zehn Lieder will er singen. Simone Rethel zeigt dazwischen ihre Multimedia-Show über sein Leben, kommentiert Fotos von früher bis heute. Eine Doku seiner Erfolge, nicht seiner politischen Vergangenheit. Ob er 1941 im KZ Dachau für SS-Leute gesungen hat oder dem Orchester „nur“ zugeschaut hat, bleibt unerwähnt. „Was im Dritten Reich passiert ist, dafür kann mein Mann nichts“, sagt sie. „Immer wieder wird er als Buhmann vorgeführt – zu Unrecht.“ Den umstrittenen Auftritt abzusagen, davon hält sie nichts. „Das wäre eine Riesenenttäuschung für Jopie und auch für viele Holländer. Auf jeden Protest bekommen wir die fünffache Zustimmung.“ Sie ist überzeugt: „Jopie ist am Ziel seiner Träume. Das wird ein historischer Abend.“
kadi, rs
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