Japan kämpft mit Strom und Wasser gegen Atom-Desaster
Im havarierten Atomkraftwerk Fukushima Eins müssen die Einsatzkräfte weiter mit primitivsten Mitteln gegen den drohenden Super-GAU kämpfen.
Tokio - Mit Wasserwerfern bespritzen Soldaten den mit hoch giftigem Plutonium bestückten Reaktor 3, um die stark erhitzten Brennstäbe zu kühlen.
Trotz der hohen Strahlenbelastung wurde eine erste Notstromleitung in das AKW gezogen. Damit sollen ungeachtet der extremen Zerstörung in den Meilern an einigen Stellen die Kühlkreisläufe wieder gestartet werden.
Eine Woche nach Beben und Tsunami herrscht traurige Gewissheit: Die Naturkatastrophe vom vergangenen Freitag hat schon mehr Todesopfer gefordert als das große Erdbeben von Kobe im Jahr 1995.
Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA kritisierte die bisherige Informationspolitik Japans zum Fukushima-Drama. Japans Ministerpräsident Naoto Kan sicherte IAEA-Chef Yukiya Amano bei einem Treffen in Tokio zu, die internationale Öffentlichkeit besser über die Entwicklungen zu informieren. Aus dem AKW entwich am Freitag weiter radioaktiver Dampf, wie der Regierungssprecher Yukio Edano sagte.
Mitarbeiter der IAEA sind erstmals auf dem Weg zum Unglücksmeiler, um sich persönlich ein Bild vom Ausmaß der Schäden zu machen und dort die radioaktive Strahlung zu messen. Über das Ausmaß der Strahlung hatte es in den vergangenen Tagen häufiger widersprüchliche Angaben von japanischer Seite gegeben.
Auf zwei Wegen wollen die Fukushima-Techniker die Kontrolle über die beschädigten Reaktoren zurückgewinnen. Die Wasserwerfer sollen auch am Block 4 und eventuell bei Block 1 eingesetzt werden. Etwa 140 Feuerwehrleute wurden dafür zum AKW gefahren. Sie sollen die Soldaten unterstützen.
Der AKW-Betreiber Tepco hofft, die Reaktoren 1 und 2 am Samstag mit Strom versorgen zu können. Das berichtete der Sender NHK. Zuvor hatte es geheißen, mit der Arbeit solle heute (Freitag) begonnen werden. Es gab keine Hinweise darauf, dass die Reaktorblöcke wie am Donnerstag auch aus der Luft bewässert werden sollen. Hubschrauber hatten Wasser abgeworfen. Allerdings ließen Fernsehbilder auf eine eher geringe Trefferwahrscheinlichkeit schließen.
Für Sonntag sei auch ein Anschluss der Reaktoren 3 und 4 an das Stromnetz geplant, teilte ein Sprecher der japanischen Atomsicherheitsbehörde NISA am Freitagmorgen (Ortszeit) mit. Über den Zustand der Technik in den teilweise völlig zerstörten Reaktorhallen gab es keine genauen Angaben.
In Block 3 ist das giftige Plutonium in den Brennelementen enthalten, in Block 4 droht das Abklingbecken voller abgebrannter Brennstäbe zu überhitzen und todbringende Strahlung freizusetzen. Nach dem Manöver am Vortag sei die Intensität der radioaktiven Strahlung leicht zurückgegangen, berichteten NHK und Kyodo unter Berufung auf den AKW-Betreiber Tepco.
Gute Nachrichten gab es aus den weitgehend unversehrten Blöcken 5 und 6. Dort sei die Notstromversorgung hergestellt worden, teilte Tepco mit.
Bei dem Erdbeben und dem Tsunami im Nordosten Japans sind mehr Menschen ums Leben gekommen als bei dem Beben in der japanischen Hafenstadt Kobe im Jahr 1995. Nach neuesten Angaben stieg die Zahl der Toten auf 6539, berichtete der japanische Fernsehsender NHK unter Berufung auf die Polizei.
Es wird allerdings befürchtet, dass weit mehr Menschen der Katastrophe zum Opfer fielen. Bei dem Beben im Raum Kobe kamen 6434 Menschen ums Leben. Nach dem jüngsten Beben werden weiter mehr als 9000 Menschen vermisst. Es gilt als praktisch ausgeschlossen, dass eine Woche nach dem Unglück noch Opfer lebend aus den Trümmern geborgen werden.
Die Folgen von Erdbeben und Wasserwalze, die steigende Atom-Gefahr und Eiseskälte setzen den Überlebenden der Katastrophen immer heftiger zu. NHK zufolge sind mindestens 25 Flüchtlinge schon gestorben. Sie seien meist alt und total entkräftet gewesen - womöglich wären sie ohne den Kälteeinbruch noch am Leben.
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