Immer Ärger: Die Sünden der Bahn
BERLIN - Zerbrechende Weichen, manipulierte Fahrpläne, übertölpelte Kunden: Zwei ZDF-Reporter halten dem Konzern ein „Schwarzbuch“ vor. Darin steht auch, was Lokführer machen, die kein Klo finden.
Die Deutsche Bahn kommt aus den Negativ-Schlagzeilen nicht heraus. Jetzt musste der Konzern einräumen, dass beim Winterdienst osteuropäische Billigarbeiter eingesetzt wurden.
Die Bahn hatte eine externe Firma mit den Räumarbeiten beauftragt, diese beschäftigte dann über einen Subunternehmer bulgarische Räumkolonnen für Dumpinglöhne. Zwar ist dem Subunternehmer gekündigt worden. Doch das ist offenbar nicht der einzige Mangel, der bei der Bahn zu beklagen ist.
Heute erscheint das „Schwarzbuch Deutsche Bahn“ (Bertelsmann-Verlag). Darin dokumentieren die ZDF-Journalisten Christian Esser und Astrid Randerath anhand interner Dokumente und (anonymisierter) Interviews mit Bahn-Insidern Missstände bei der Deutschen Bahn. Ein Überblick.
Die Sicherheit. Nach Ansicht der ZDF-Reporter gibt es im Schienennetz massive Sicherheitsmängel. Die Autoren berufen sich auf einen Insider aus dem Eisenbahn-Bundesamt (EBA), der von „mehreren hundert Verstößen gegen Rechtsnormen“ pro Jahr berichtet. „Meistens wird die Bahn erst aktiv, wenn wir damit drohen, einen Bescheid zu machen“, wird der Informant zitiert.
Anders als früher seien auch keine EBA-Mitarbeiter mehr im Einsatz, um die Strecken routinemäßig zu kontrollieren. Das sagt auch ein Fahrdienstleiter der DB: „Nicht selten wird erst ausgebessert, wenn die Weiche sprichwörtlich auseinanderfällt.“ Ein Zugführer erzählt im Buch von seiner Arbeitsbelastung: Die Schichten dauerten manchmal bis zu 14 Stunden. „Die Monotonie und die Müdigkeit sind das größte Problem. Es gibt schon Kollegen, die durch Bahnhöfe durchgefahren sind, weil sie geschlafen haben.“
Die Pünktlichkeit. Die Statistik werde manipuliert, werfen Esser und Randerath der Bahn vor. So genannte Langsamfahrstrecken würden nach sechs Monaten einfach in den regulären Fahrplan integriert. Die offizielle Fahrzeit sei dann länger, die Ankunftszeiten würden eingehalten. Für die vielen Verspätungen vor allem im Winter macht ein Fahrdienstleiter Personal- und Gleisabbau verantwortlich: In den letzten Jahren seien viele Ausweichgleise abgebaut worden, so dass es nun kaum noch möglich sei, auf Störungen schnell zu reagieren.
Die Arbeitsbedingungen. Im Schwarzbuch kommen auch mehrere Lokführer und Zugchefs zu Wort, die von ihren Arbeitsbedingungen berichten. Unter anderem beklagt ein Lokführer, dass es für sie keine eigene Toilette gebe. „Manchmal, wenn die Toiletten der Gäste besetzt sind, muss ich eine ganze Weile suchen, bis ich eine freie Toilette gefunden habe. Viele pinkeln in die Thermoskanne. Denn wir sind sonst schuld an einer Verspätung.“
Die Kundenfreundlichkeit. Der Fahrgastverband ProBahn bemängelt drei von zehn Beratungen im Kundencenter der Bahn als fehlerhaft. Ein Kundenberater berichtet von vorgegebenen Fragen, die er den Kunden stellen müsse: „Wir sollen zum Beispiel jedem Kunden möglichst ein 1.-Klasse-Ticket verkaufen – auch wenn der Kunde nur eine 2.-Klasse-BahnCard hat. Wir werden darauf getrimmt, immer eine Reservierung zu verkaufen, auch wenn klar ist, dass der Zug gähnend leer sein wird.“
Ein Bahn-Sprecher nennt das Buch „sehr einseitig geschrieben. Die Autoren beschreiben eine alte Welt. Gerade der neue DB-Vorstand bestreitet mitnichten, dass bei der Bahn vieles besser werden kann und muss.“ zo
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