Im Bett sind nicht alle Madonna

Erotische Filmszenen sehen meist völlig locker aus, sind aber das Ergebnis anstrengender Arbeit. Trotzdem orientieren sich viele auch im Privatleben daran. Keine gute Idee, sagen Experten.
Bei Hollywoodstars sieht es immer so einfach und vor allem toll aus: Wenn Angelina Jolie und Brad Pitt in «Mr. und Mrs. Smith» gemeinsam ins Bett steigen, bewegen sich ihre Körper offenbar stets in völliger Ekstase. Doch Vorsicht! Bilder wie diese sind zwar in vielen Serien, Filmen und Pornos zu sehen. Davon darf man sich aber nicht unter Druck setzen lassen, sagt die Leiterin des Dr. Sommer-Teams der «Bravo», Marthe Kniep, aus München: «Sexualität zwischen zwei Menschen ist keine Performance, bei der man zeigt, was man kann, sondern jeder muss individuell für sich herausfinden, was er oder sie mag und was nicht.»
Zuerst einmal müsse man sich von den Bildern befreien, die man vor Augen hat, findet der Psychologe Stefan Drewes aus Düsseldorf: «Man kriegt die Bilder zwar nicht richtig weg aus dem Kopf, aber man muss sie entzaubern und ins richtige Licht rücken.» Das ist nicht einfach, immerhin sieht man regelmäßig Sexszenen in Filmen oder Zeitschriften. Dabei ist laut Drewes aber wichtig, sich zu erinnern: «Bilder sind Bilder, sie bilden nicht die Realität ab», sagt der Vorsitzende der Sektion Schulpsychologie beim Berufsverband der Deutschen Psychologinnen und Psychologen. Denn obwohl Sexszenen in Serien oder Filmen meist ganz natürlich aussehen, sind sie tatsächlich das Ergebnis langer Arbeit. «Zuerst werden die Schauspieler lange geschminkt und gestylt, bis sie perfekt aussehen», sagt Kniep. Pickel und Hautflecken sind daher nicht zu sehen. «Außerdem werden solche Szenen oft mehrmals gedreht, in unterschiedlichen Einstellungen», erklärt Kniep. «Mit natürlicher Leidenschaft hat das nichts zu tun.»
Nicht von Bildern lenken lassen
Im echten Leben tastet man sich dagegen erst langsam an einen neuen Partner heran. «Das, was beim Sex passiert, ist von Person zu Person anders, jeder hat andere Bedürfnisse», sagt Drewes. Er rät, dabei auf die eigenen Gefühle zu achten und sich nicht von Bildern aus Filmen lenken zu lassen. Nur so könne man seinen eigenen Weg finden und erkennen, was einem wichtig ist. «Mache nur, was du mitmachen möchtest und was sich gut anfühlt», rät auch Marthe Kniep. «Sonst sage «Stopp!»» Schließlich müsse niemand jedem gefallen und alles mitmachen. Das gilt für Themen wie Reizwäsche genauso wie für unterschiedliche Stellungen. «Reizwäsche wie in Filmen oder auf Bildern ist nicht das Wichtigste - die Stimmung muss passen», findet Kniep. Auch verschiedene Stellungen beim Sex seien keine Pflicht. «So lange es schön ist für euch, bleibt bei einer Stellung, macht euch keinen Stress.» Wer dagegen etwas Neues ausprobieren will, kann das natürlich auch machen - «vorausgesetzt, es geschieht nicht durch Druck eines Einzelnen, sondern ist der eigene Wunsch».
«Jeder Jugendliche hat diese Sorge»
Einfach ist die ganze Situation dennoch nicht. Deswegen kann es auch helfen, sich mit einem Freund, einer Freundin oder älteren Geschwistern über Erfahrungen und Ängste auszutauschen. «Darüber reden ist meist gut», sagt die Psychotherapeutin Skadi Engeln aus Berlin. «Man kann davon ausgehen, dass jeder Jugendliche diese Sorgen hat und ebenso unsicher ist, wie man selber.» Daher ist so ein Gespräch über Ängste und Wünsche auch mit dem Partner oder der Partnerin sinnvoll. «Es erscheint zwar gerade am Anfang schwierig, dennoch ist es gut, über eigene Bedürfnisse zu sprechen», sagt Engeln. Man kann es üben und mit der Zeit lernen, ehrlich über Gefühle und Sorgen zu sprechen. «Das ist für jeden wichtig, weil es dann mehr Freude machen kann und nicht nur ein unsicheres Versuchen ist.» Außerdem beeindrucke diese Offenheit den Partner möglicherweise sogar mehr als ein forsches Vorgehen: «Immerhin macht es ihr oder ihm so auch Mut, über eigene Ängste zu sprechen.»
Über wenig Lust wird nicht gesprochen
Nicht nur in Filmen haben die Menschen Spaß beim Sex. Auch Freunde erzählen meist nur davon, wie super es war. «Doch selbst wenn man Geschichten hört und sieht, in denen Sex sich ausschließlich toll anfühlt: Das ist nicht immer so», sagt Marthe Kniep vom Dr. Sommer-Team der «Bravo». Über wenig Lust oder unangenehme Gefühle werde dagegen kaum gesprochen. «Doch auch das gehört zur Realität: Sex ist nicht jedes Mal ein Feuerwerk der Gefühle.» (dpa)