Hotel-Experte über KI-Zukunft: "Menschlicher Service wird zum Luxus-Thema"

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Im Hotel selbst einchecken, ohne an der Rezeption mit jemandem ein einziges Wort gewechselt zu haben? Das ist teilweise jetzt schon Realität und könnte bei künftigen Reisen noch häufiger so sein. Stichwort: neue Technologien und Künstliche Intelligenz (KI). Wie wird das die Hotel-Branche verändern? Wie viel KI kommt schon jetzt zum Einsatz? Und worauf müssen sich Gäste in Zukunft einstellen? Die AZ hat mit Burkhard von Freyberg (51) darüber gesprochen. Er ist Professor an der Hochschule München und Experte für Hospitality Management an der Fakultät für Tourismus. Neben einem Betriebswirtschafts-Studium an der LMU und der Promotion an der Uni Regensburg hat er auch eine Hotelfachlehre im Hotel Bayerischer Hof absolviert.
AZ: Herr von Freyberg, eine Schätzfrage: Wie lange wird es in Hotels noch echte Menschen an der Rezeption geben?
Burkhard von Freyberg: Ich glaube, es wird sie noch sehr viele Jahre geben - aber nicht an jeder Rezeption. In der Budget-Hotellerie sieht man jetzt schon, dass Prozesse automatisiert ablaufen. Gäste können an Check-in-Terminals einchecken oder gleich zum Zimmer gehen, weil sie nach der Onlinebuchung einen digitalen Schlüssel erhalten haben. Aber gerade in der Luxus- und Ferien-Hotellerie, wo der Gast mehr Zeit mitbringt und beraten werden möchte, wird es noch lange echte Menschen geben. Ich kann mir aber vorstellen, dass in zehn Jahren in der Küche oder an Bars Roboter zum Einsatz kommen. Bisher sind es eher noch Abräum-Roboter.
Alles ein bisschen gewöhnungsbedürftig, oder?
Innovationen erzeugen grundsätzlich erst einmal Widerstände - bis man sich an den Nutzen gewöhnt hat.

"Keine echte Menschen, sondern KI generierte Antworten"
Können Sie Beispiele nennen, wo schon jetzt Künstliche Intelligenz in der Hotelbranche eingesetzt wird?
In den unterschiedlichsten Bereichen, etwa in der Gäste-Kommunikation. Es gibt zum Beispiel 24/7-Chatbots, digitale Concierges oder sprachgesteuerte Assistenten. Wenn Sie im Vorfeld mit einem Hotel kommunizieren, das etwa Whatsapp-Kommunikation anbietet, antworten keine echten Menschen, sondern es sind KI generierte Antworten. Im Ratenmanagement, Energiemanagement, Wettbewerberscreening und in fortschrittlichen Häusern auch bei Food Waste (Lebensmittel-Verschwendung; d. Red.), sieht man schon nicht seit gestern zunehmend KI-Lösungen. Für zunehmend mehr Prozesse gibt es KI-Anwendungen, die diese effizienter und auch besser machen. Früher hat man fürs Marketing kreative Mitarbeiter gesucht. Jetzt funktioniert Bild- und Textgenerierung mithilfe von KI schon hervorragend. Allerdings muss man als Hotelier grundsätzlich aufpassen. Wenn der Gast merkt, dass er es gar nicht mehr mit Menschen, sondern nur noch mit Automaten zu tun hat, ist das nicht gut. Gerade in der gehobenen Hotellerie wünschen sich die Gäste authentische Erlebnisse und menschliche Wärme.
Sollten Hotels es kennzeichnen, wenn KI im Spiel ist?
Ich weiß nicht, ob man sich damit einen Gefallen tut. Fakt ist: KI wird jetzt unser Leben bestimmen. Sie wird in unser ganzes Leben hineinschleichen. Für die Hoteliers birgt das eine Chance. Sie müssen jedoch mit Gehirn an die Sache herangehen. Ein Beispiel: Wenn sie eine E-Mail mit KI für einen Stammkunden generieren, sollten sie die nicht unreflektiert abschicken, sondern nochmal prüfen und mit eigenen Wörtern anreichern. Wenn man es clever nutzt, können viele bisher personalintensive Aufgaben mit KI schneller gelöst werden. Dadurch hat jemand mehr Zeit für ehrliche Begegnungen mit dem Gast.

Wo sehen Sie noch Chancen für die Branche?
In erster Linie ist es Zeit und Geld, die sich Hoteliers sparen können. Gerade in Bürotätigkeiten wird vieles wesentlich schneller abgearbeitet sein. An der einen oder anderen Stelle wird man auf Mitarbeiter verzichten können, Kosten für Energie und Wareneinsatz lassen sich intelligenter managen und so weiter. Ich merke übrigens bei meinen Absolventinnen und Absolventen, dass sie gar nicht mehr so einfach Jobs in meiner Branche finden. Eine Stepstone-Studie hat branchenweit bestätigt, dass weniger Einsteiger-Jobs angeboten werden als noch vor einem Jahr.
Probleme für Berufseinsteiger: "Jetzt macht das häufiger die KI"
Warum?
Aufgaben, die bisher Anfänger übernommen haben, etwa Recherche-Aufgaben, macht jetzt häufiger die KI. Gesucht werden also eher Leute, die schon länger im Geschäft sind.
Das macht es für Job-Neulinge aber hart.
Ja, das wird zunehmend schwieriger.
Sie haben schon von Einsparungen gesprochen, auch von Mitarbeitern. Geht es also am Ende auf Kosten von Personal?
Wenn man Mitarbeiter einspart, einen Service-Roboter einsetzt und irgendwann einen weiteren hat, der Zimmer aufräumen kann, werden Hotels und Restaurants profitabler.
"Die Gastro wird irgendwann kein Mitarbeiter-Problem mehr haben"
Aber Menschen verlieren dadurch ihre Jobs.
Das ist ein riesiges Thema, ja. Aktuell haben wir noch einen Fachkräftemangel. Aber ich glaube stark daran, dass wir wieder in die Situation kommen, dass Leute händeringend nach einem Job suchen werden. Aber: Die Gastronomie ist immer noch handwerklich. Wir brauchen die Menschen und so schnell sind die Roboter nun auch wieder nicht da. Aber die Gastro wird irgendwann kein Mitarbeiter-Problem mehr haben. Das prophezeie ich.

Sagen Sie das auch Ihren Studierenden so ehrlich?
Ja, das tue ich. Es gilt für mich immer noch: Man wird nur dann beruflichen Erfolg haben, wenn man die Ärmel hochkrempelt. Letztlich wird "Survial of the fittest" zutreffen (der Stärkste überlebt; d. Red.).
"Dienstleistungen durch einen Menschen werden deutlich teurer"
In der Hotelbranche geht es um Gastfreundlichkeit. Kann KI die ersetzen?
Grundsätzlich wollen wir Menschen um uns haben, uns austauschen. Somit glaube ich nicht, dass gerade die Hotelbranche von null auf hundert auf KI umstellt. Dennoch wird es so sein, dass Dienstleistungen durch einen Menschen wesentlich teurer werden - menschlicher Service wird zum Luxus-Thema. Wenn der Gast bereit ist, 800 Euro pro Nacht für seinen Aufenthalt zu zahlen, wird er weiterhin die herzliche Wärme erleben und etwa einem Koch beim Show-Cooking zuschauen können.
Wo stößt KI an ihre Grenzen, wenn es um Urlaub geht?
In situativen Momenten. Wenn im Hotel etwas passiert und man schnell handeln muss, kann man nicht zum Laptop laufen und erst einmal die KI fragen. Auch in Sachen Datensicherheit und Server-Ausfällen.

Nicht blind vertrauen: "Die KI ist noch in den Kinderschuhen"
Wie sehr können Gäste schon jetzt auf Hotel-Empfehlungen via KI vertrauen?
Man muss es hinterfragen und darf nicht blind vertrauen, weil KI vielfach auch halluzinierte Quellen anführt, also Quellen, die es gar nicht gibt, sie erfindet sie einfach. Die KI ist zwar schon fortgeschritten, aber im Vergleich zum Potenzial, das sie einmal haben wird, noch in den Kinderschuhen.
Zusammengefasst: Worauf müssen sich Hotelgäste aus Ihrer Sicht künftig einstellen?
Auf jeden Fall auf mehr Automatisierung. Mitunter wird der Gast weniger warten müssen. Wer Personal im Hotel haben möchte, wird mehr zahlen. Der Gast wird also selbst - je nach Geldbeutel - entscheiden, wie viel Technik und Zwischenmenschlichkeit er haben möchte. Ich bin zudem fest davon überzeugt, dass es irgendwann Roboter geben wird, die das Bett machen können. Mensch und Maschine werden zusammenarbeiten. Ich hoffe dennoch, dass es noch lange so ist, dass jemand Gästen einen Cocktail mixt - und zwar kein Roboter, sondern ein netter Mensch, der auch fragt, wie es einem geht.