Heilpflanze Spitzwegerich: Der Helfer vom Wegesrand

Diese neue AZ-Serie stellt Ihnen Pflanzen vor, die Sie gesund erhalten oder machen. Oft sind das völlig unterschätzte Kräuter und Knollen. Zu ihnen gehört der heilsame Spitzwegerich.
von  Martina Artmann
Ein Wiesen-Pflaster aus Blättern des Spitzwegerich.
Ein Wiesen-Pflaster aus Blättern des Spitzwegerich. © dpa

München - Die Welt der Kräuter ist unfassbar vielfältig und zudem ziemlich faszinierend. Als Tee, im Salat oder als Salbe: Heimische Wildkräuter erobern sich ihren Platz in Küche und Hausapotheke zurück. Zu unseren Füßen wachsen Abertausende Pflanzenarten, oft unerkannt und unbeachtet. Meist sieht man sie einfach als Unkraut an, doch hat jede eine eigene Signatur und eine eigene Geschichte. Und oft auch: eine ungeahnte Heilkraft. In dieser AZ-Serie erfahren Sie alles über Pflanzen, die Sie gesund halten - oder machen.

Dazu gehört fraglos der Spitzwegerich. Mit seinen weißen, unscheinbaren Blüten ist er ein besonderes Pflänzchen, und es lohnt sich, mehr über dieses heimische (Un-) Kraut zu erfahren. Bereits der Arzt und Alchimist Paracelsus (1493 - 1541) wusste: "Für jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen."

Wie uns der Spitzwegerich besonders in der Erkältungszeit seine wohltuende Kraft zur Verfügung stellt und wie man seine grünen Blätter zum Verfeinern von Speisen einsetzen kann, das soll in diesem Beitrag erkundet und zudem die Freude an der Entdeckung unserer heilenden und schmackhaften Natur geweckt werden.

Fußtritt der Weißen

Ursprünglich war der Spitzwegerich nur in Europa und den gemäßigten Gebieten Asiens verbreitet. Doch die Entdeckung der Neuen Welt (1492) war auch für die Spezies Spitzwegerich ein bedeutsamer Moment.

Martina Artmann:Die Autorin ist Therapeutin und Gesundheitsexpertin.
Martina Artmann:Die Autorin ist Therapeutin und Gesundheitsexpertin. © ho

An den Sohlen der Siedler haftend, traten die Samen ihre Reise nach Nordamerika (und auch Australien) an. Die dort lebenden Völker gaben der Pflanze den Namen: "Fußtritt des weißen Mannes", denn quasi überall, wo dieser seinen Fuß hinsetzte, begann in der Folge der Wegerich zu sprießen.

Der Spitzwegerich und seine vielen Namen

Dem Volksmund verdankt der Spitzwegerich viele andere Namen, die auf seine Signatur und seine Eigenheiten verweisen. Naturkundige sprechen auch von Siebenrippe, Spießkraut, Wegbreite, Heilwegerich und Lämmerzunge. Tatsächlich gibt es Aufzeichnungen aus dem elften Jahrhundert, die belegen, dass Spitzwegerich ein traditionelles, sehr altes germanisches Heilkraut ist.

Die Äbtissin Hildegard von Bingen (1098-1178) empfahl Wegerich in Wein und Honig gegen Gicht. Der große Bruder des Spitzwegerich ist der Breitwegerich (Plantago major), der ähnlich verwendet werden kann, aber weniger bekannt ist.

Die Mythologie

Im Mittelalter wurde der Spitzwegerich dem Mann und der Breitwegerich der Frau zugeordnet. Für Rituale verräucherten die Menschen damals den Spitzwegerich, um einen Liebeszauber zu bannen. Den wandernden Handwerkern diente der Spitzwegerich als Marscherleichterung: So sollte ein tiefgrünes, frisches Blatt des Heilkrautes im Schuh vor Blasen am Fuß und vorzeitiger Ermüdung helfen. Wer mit einem Blatt Spitzwegerich im Schuh seine Wanderung antrat, der überquere mühelos sogar das unwegsamste Gelände, so die Legende.

Die Naturheilkunde

Voll gesunder Pflanzenkraft strotzend, wurde der Spitzwegerich 2014 zur Heilpflanze des Jahres gekürt. Er mag zwar etwas unscheinbar und oft unbemerkt den Wegesrand säumen, doch die Heilkraft seiner Inhaltsstoffe machen ihn zum König der Wege.

Vitamin A und C, Kieselsäure, Bitterstoffe, Flavonoide, Gerbstoffe, Mineralien wie Kalium und Zink, sowie Saponine (Glykoside von Steroiden) und die wertvollen ätherischen Öle, geben dem Wegerich seine vielfältige Heilkraft, indem er antibakteriell, blutreinigend, blutstillend, entzündungshemmend, harntreibend, schleimlösend, leberreinigend, und reizlindernd wirkt.

Die Lungenheilpflanze

Als typische Lungen- und Erkältungspflanze regt der Spitzwegerich ganz stark die Selbstheilungskräfte an. Wenn sich eine Erkältung anbahnt, hilft bereits das Kauen eines frischen Blatts des Heilkrauts, um die Abwehrkraft zu steigern.

Durch die immunstimulierenden Wirkkraft des Wegerichs lassen sich auch langwierige, hartnäckige Infekte behandeln. Bei Erkältungen mit Fieber, Husten und verschleimten Atemwegen sorgt Spitzwegerichtee oder -sirup für rasche Linderung. Spitzwegerich enthält den sekundären Pflanzenstoff Aucubin, der als natürliches Antibiotikum fungiert und bei bakteriellen Infektionen wie Husten oder Halsweh hilft.

Die enthaltene Kieselsäure festigt das Lungengewebe, und die Schleimstoffe schützen die Schleimhäute, was auch den Schmerz beim Husten mildert. Raucher profitieren von seiner lungenstärkenden Wirkung genauso wie Asthmatiker.

Das Wiesen-Pflaster

Als schnelles Wundpflaster eignet sich der Spitzwegerich ebenso wie andere Wegerich-arten. Bei Insektenstichen oder nach ungewolltem Kontakt mit der Brennnessel liefert der Spitzwegerich die nötige Akuthilfe, um brennende, juckende Hautstellen zu beruhigen. Man pflückt ein paar Wegerichblätter, verreibt sie kräftig zwischen den Fingern, bis Pflanzensaft austritt. Danach die Blätter samt Pflanzensaft auf die Wunde legen und antrocknen lassen.

Die hautheilenden Eigenschaften des Wegerichs lassen ihn zu einer wichtigen Outdoor-Pflanze für Naturfreunde und Wanderer werden, da er gute Dienste leistet, wenn die Füße schmerzen oder Blasen drohen. Die breiten Blätter des Spitzwegerich pflücken, mit einem Stein den Pflanzensaft herauspressen und als Einlage im Wanderschuh verwenden - das ist wirksam.

Die Gerbstoffe und Kieselsäure des Wegerichs helfen bei aufgeschürften Knien und bei offenen Wunden.

Für Magen und Darm

Vor allem die Flohsamen der Blüten des Spitzwegerich verbessern die Peristaltik und helfen gegen Obstipation (Verstopfung). Als Zusatznahrungsmittel (etwa aus dem Reformhaus) unterstützt er die Verdauung und lindert Blähungen.

Aus Spitzwegerich lässt sich auch ein Sirup herstellen.
Aus Spitzwegerich lässt sich auch ein Sirup herstellen. © imago/blickwinkel

In der Küche

Die Blätter des unscheinbaren Wegerich sind gegart zu Gemüsegerichten, als Salat, Suppe oder als feine Beigabe in Speiseöle eine wohlschmeckende Zutat. Püriert in Kartoffel- oder anderem Gemüsebrei passt er hervorragend in die deutsche Küche.

Für grüne Smoothies und Gemüsesäfte ist er ein schmackhafter Vitaminlieferant. Es lohnt sich, die Blüten des Spitzwegerich einmal zu verkosten; sie schmecken nussig. Das Aroma der Flohsamen erinnert an den pilzigen Geschmack von Champignons.

Spitzwegerich-Blüten kann man entweder roh oder angedünstet vielen Mahlzeiten beimengen. Als Pesto, Kräuterquark, im Rührei oder als Snack bringt der heimische Spitzwegerich gesunde Abwechslung auf den Tisch.

Anwendungsformen

Da der Wegerich ein nebenwirkungsfreies Heilkraut ist, stellt er als gut verträgliches Medikament eine natürliche Alternative zu den üblichen chemischen Arzneimitteln dar. Besonders eignet sich der Sirup (Rezept: siehe unten) oder der Tee für Kinder und Alte. Man erhält Spitzwegerich rezeptfrei in Apotheken oder Kräuterhäusern, oder man sammelt ihn am besten selbst. Als anerkanntes Heilmittel verabreicht man ihn in folgenden Darreichungsformen: Als Tee, Saft, Sirup, Öl, frische Blätter, Tinktur, Honig, Cremes und Salben und Lutschbonbons.

Spitzwegerich ist sowohl für die innere als auch die äußere Anwendung nützlich.
Spitzwegerich ist sowohl für die innere als auch die äußere Anwendung nützlich. © imago/blickwinkel

Spitzwegerich - der Steckbrief

Lateinischer Name: Plantago lanceolata
Familie: Wegerichgewächse
Verbreitungsraum: ursprünglich Europa, Nordamerika, Asien, Afrika
Standort: sonnig, am Wegesrand, auf Wiesen

Blätter: länglich, zugespitzt
Blütenfarbe: weiß
Blütezeit: April bis August
Höhe: 10 bis 50 cm

Alter: mehrjähriger Wuchs
Nutzung: Arzneipflanze, Kosmetik, Superfood
Geschmack: süß, bitter, nussig

Inhaltsstoffe: Gerbstoffe, Aucubin, Zuckermoleküle, Galaktose, Schleimstoffe, ätherische Öle, Flavonoide, Kalium, Zink, Kieselsäure, Saponine

Eigenschaften: antibakteriell, entzündungshemmend, adstringierend, schleimlösend, abschwellend, blutstillend, juckreizlindernd, blutreinigend, gewebestärkend, immunmodulierend

Nebenwirkungen: keine bekannt


Hier hilft Spitzwegerich

Innere Anwendung
Akuter und chronischer Husten mit und ohne Schleim
Katarrhe der Atemwege
Bronchitis
Reizhusten und Keuchhusten
Asthma
trockene Schleimhäute
Heiserkeit, Raucherhusten
bei geschwächtem Immunsystem
fiebrige Erkältungen

Äußere Anwendung
Insektenstiche
Kontakt mit Brennnessel
Blasen, Schürfwunden
kleine, oberflächliche Verletzungen, Juckreiz
brennende Füße


Ein Rezept für selbstgemachten Sirup

Frische Spitzwegerichblätter (ab Mai nur intakte, unversehrte Blätter sammeln, nicht an Hunde-Routen sammeln!) Zwei Handvoll der Blätter zerpflücken und mit der gleichen Menge Krümelkandis (braun) abwechselnd in Schraubgläser schichten, bis diese randvoll sind. Mit einer Schicht Kandis abschließen. Die Gläser verschließen, leicht schütteln und mit beschrifteten Klebeetiketten (Inhalt und Herstellungsdatum) versehen. Am besten bei Zimmertemperatur an einem dunklen Ort für mindestens drei Monate aufbewahren, bis sich der Zucker komplett aufgelöst hat. Nach dieser Zeit den Sirup durch ein Sieb oder eine Feinstrumpfhose abgießen und die Blätter sachte ausdrücken.

Der fertige Sirup wird dann in Glasflaschen mit Schraubverschluss abgefüllt und erneut beschriftet. Dieser Hustensirup sollte bei Zimmertemperatur, etwa ein Jahr haltbar sein. Man kann ihn allerdings auch im Kühlschrank aufbewahren - sicher ist sicher. Bei starkem Husten nimmt man davon 2-3 EL am Tag, Kinder 2-3 TL täglich. Da die meisten Atemwegsinfekte viral bedingt sind, können Antibiotika hier keinen Nutzen erzielen. Deshalb ist eine sanfte, pflanzentherapeutische Anwendung mit Spitzwegerichsirup und Tee genau das Richtige. Wem das Selbermachen zu aufwendig ist, für den ist der pflanzliche Hustensaft in der Apotheke, im Bioladen oder Reformhaus erhältlich.

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