Ein Dorf wie aus einem Märchen – nur viel düsterer

Im italienischen Dorf Triora thront eine fast drei Meter hohe Bronze-Katze als Denkmal für die gefolterten Tiere der Hexenverfolgung. Wie das Örtchen sonst noch versucht, Touristen anzulocken.
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Die Katzenstatue gibt es seit zwei Jahren.
Die Katzenstatue gibt es seit zwei Jahren. © Ralf Müller
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Den Katzen Denkmäler gesetzt haben schon die alten Ägypter. Triora im Hinterland der italienischen Blumen-Riviera hat davon ein ganz besonderes vorzuweisen. Eine fast drei Meter hohe Bronze-Katze thront seit zwei Jahren neben einem mittelalterlichen Turm und hebt dabei eine Pfote, als ob sie diese zur Versöhnung reichen würde.

So ist es jedenfalls gedacht. Die in Triora lebenden Russen Svetlana Liu und Alexander Orlov haben die Künstlerin Elena Rede beauftragt, das "Grand Pardon", die "große Vergebung", zu errichten. Um "die Erinnerung an alle Tiere zu bewahren, die neben Hexen gefoltert und verbrannt wurden, damit das Zeugnis dieser Gräueltaten nicht verwischt wird", heißt es in der erläuternden Tafel.

Die "Gatto di Triora" wurde bei ihrer Einweihung vor zwei Jahren vom Bürgermeister Massimo Di Fazio begeistert begrüßt: "Die monumentale Katze ist ein einzigartiges Kunstwerk, das dazu beitragen wird, die Bekanntheit der Stadt zu steigern."

Die Gemeinde vermarktet die Grusel-Vergangenheit

Und das tut sie seither auch. Das Örtchen Triora in Ligurien unweit von Sanremo ist zwar als eines der schönsten Dörfer Italiens anerkannt und Mitglied der Vereinigung "I Borghi più belli d'Italia", aber das allein würde kaum einen Touristen in die entlegene Bergregion locken. Schöne mittelalterliche Bergdörfer mit verschachtelten Gassen und Steinhäusern gibt es schließlich viele in Italien. Die gerade einmal 400 Einwohner zählende Gemeinde kann von Tourismus profitieren, indem sie ihre schaurige Vergangenheit vermarktet.

Ein Parkplatz für Hexenbesen.
Ein Parkplatz für Hexenbesen. © Ralf Müller

Triora hat schon einmal bessere Zeiten gesehen. Noch 1861 zählte der Ort 3300 Einwohner. Die größten Verheerungen richteten die Nazis 1944 bei der Verfolgung von ligurischen Widerstandskämpfern an. Doch an diese Gräueltaten wird heute im örtlichen "Ethnografischen Hexereimuseum" nicht erinnert, sondern an das düstere Mittelalter.

Das Hexendorf Italiens

Der Zusatz "Hexendorf", mit dem sich Triora heute schmückt, geht auf Geschehnisse der Jahre 1587 bis 1589 zurück. Auf der Suche nach Schuldigen für drei Jahre Missernten hintereinander bezichtigte man angeblich 35 Frauen der Hexerei.

14 von ihnen kamen in Verliesen und bei Folterungen ums Leben, bis das Heilige Offizium eingriff. Für die da schon zu Tode gefolterten und hingerichteten Frauen kam die spätere Aufhebung aller Urteile zu spät. Die Hexenverfolgung von Triora wird gelegentlich mit den berühmten Hexenprozessen von Salem verglichen, bei denen 19 Beschuldigte hingerichtet wurden.

Das Katzen-Denkmal aus Bronze.
Das Katzen-Denkmal aus Bronze. © Ralf Müller

Das ist Stoff genug, einen gewissen Touristenstrom zu sichern. Die Gäste wollen natürlich Hexen sehen und alles, was dazugehört. Das führt zu bedenkenlosen Bedienungen von Klischees und darüber hinaus zu einer wilden Mischung aus Historie, Horror, Fantasy und Esoterik. Immerhin können einige in dem 800 Meter hoch gelegenen Bergdorf davon offenbar ganz gut leben.

Ein Parkplatz für Hexenbesen

Ein Unikum für sich ist das "Ethnografische und Hexenmuseum". Jeder Quadratzentimeter der vier Etagen ist vollgestopft von Dingen aus der bäuerlichen Vergangenheit Trioras. Gut die Hälfte davon ist der Abteilung "Hexen" gewidmet und bedient einerseits die Grusel-Bedürfnisse des Publikums, setzt sich aber andererseits auch über zu viel Ernsthaftigkeit souverän augenzwinkernd hinweg, wovon unter anderem der Hexenbesen-Parkplatz auf der Terrasse zeugt.

Souvenirs wie diese will man in Triora an die Touristen bringen.
Souvenirs wie diese will man in Triora an die Touristen bringen. © Ralf Müller

Einem gestandenen Ausstellungskurator würde der gnadenlose Mischmasch wahrscheinlich echte Gruselschauer vermitteln, aber die Touristen sind zufrieden: viel Hexenwerk und echte Spinnweben für vergleichsweise wenig Eintrittsgeld.

Essenzen, Kräutermischungen und Hexenfiguren

Die Entwicklung des Marketing-Themas Hexen wird gezielt ausgebaut. Wenn man in der Unterkunft "La Stregatta" (Die Hexe) übernachtet und sich im "L'Erba Gatta" (Katzenminze) gestärkt hat, wird man der Höhle "Cabotina" tatsächlich von einer eingekerkerten Hexe (in Puppen-Gestalt) erwartet. Disney könnte der Szenerie freilich noch etwas Bewegung verpassen.

Das Kunstwerk erinnert an eine düstere Zeit im Mittelalter.
Das Kunstwerk erinnert an eine düstere Zeit im Mittelalter. © Ralf Müller

Auf dem Weg dorthin besteht in den "Caruggi", den typischen engen Gassen, Möglichkeit zum Erwerb von Hexenfiguren aller Kitschigkeits-Grade und allerlei esoterischem Zubehör von Essenzen und Kräutermischungen bis Traumfängern. Natürlich dürfen Hexenhüte und Reisigbesen im Angebot nicht fehlen. Auf einem belebten Platz, von dem man einen grandiosen Ausblick auf das Argentina-Tal hat, grüßt nicht das Denkmal eines örtlichen Honoratioren, sondern - wie sollte es anders sein - eine Hexe. Das "Fest der Hexen" findet übrigens jedes Jahr am ersten Samstag nach dem 15. August statt.

Auch ein Hexendorf muss mit der Zeit gehen. So werden "Herr der Ringe" und "Harry Potter" immer mehr in das Mystery-Angebot des Dorfs integriert. Nach den Hexen verwandelt es sich am 7. September in "Trior Hogwarts". An diesem Datum, so die Ankündigung, verzaubert Triora für einen magischen Tag alle jungen Zauberer und Hexen.

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