Gelassen bis zum Äußersten

Die Welt bewundert die Japaner für ihre Disziplin: Selbst im Angesicht der größten Verwüstungen reagieren sie ohne Hysterie und Panik. Wie halten die Menschen das aus?
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TOKIO „Bitte beeilen sie sich”, treibt der Verkäufer im Supermarkt die Käufer an: „Wir haben noch zehn Minuten, dann wird der Strom abgeschaltet.” Energie wird jetzt rationiert in Japan, das verschärft die Anspannung bei den Leuten. Sie kaufen alles: Wasser, Batterien, Reis, Konserven, Benzin, die Regale werden leer. Und sogar Särge und Leichensäcke sind knapp in Japan.

Das ganze Land ist im Ausnahmezustand und dabei in einer Mischung aus Chaos und Disziplin, die im Ausland Bewunderung auslöst. Trotz aller Katastrophen, der vielen Toten, die Familien in den Abgrund gestürzt haben: Hysterie, Panik oder auch Plünderungen sind nicht auszumachen.

Die Menschen stehen Schlange, sie haben auch Angst, aber sie bewahren Haltung. „Es gibt hier eine soziale Disziplin, die sich jetzt positiv auswirkt”, sagt der Bonner Japanologie-Professor Reinhard Zöllner, der selbst gerade in Tokio ist. „Jeder weiß, es nutzt nichts zu jammern oder zu schreien. Natürlich wird getrauert, aber man lässt sich trotzdem nicht gehen.”

Die fast aufreizende Gelassenheit herrscht auch im direkten Katastrophengebiet an der Nordostküste selbst. Dort wurden gestern tausend angeschwemmte Leichen gefunden, wahrscheinlich sind mehr als 10000 tot. Doch die Helfer zeigen Verständnis dafür, dass es mit der Unterstützung aus der Hauptstadt nur langsam vorangeht. „Wir bekommen nur zehn Prozent von dem, was wir erbeten haben”, sagt der Regionalbeamte Hajime Sato. „Wir sind aber geduldig, weil alle im Bebengebiet leiden.”

Auch in Tokio herrscht angespannte Ruhe. Bürger und Firmen sparen Strom, wo es geht – das nimmt den Druck von den Energiebehörden, die eigentlich schon am Montag Vormittag Zwangsabschaltungen durchziehen wollten. Viele Straßen bleiben dunkel. „Gespenstisch”, sei die Stimmung rund um den sonst hell erleuchteten Hafen von Tokio, sagt ein dpa-Reporter: „Die Straßen waren wie leergefegt, in Hochhäusern brannten keine Lichter.”

Wie verkraften die Menschen das? „Das alles ist viel zu viel für die Japaner”, sagt Pia-Tomoko Meid vom Verband der Deutsch-Japanischen Gesellschaften besorgt: „Das ist mehr als man verkraften kann. Und dennoch nimmt jeder einzelne Rücksicht, möchte dem anderen nicht zur Last fallen. So kommt es zu den Bildern, wo hart getroffene Opfer sogar in die Kamera lächeln.”

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