»Gabi gehört zum Harem«

Rainer Langhans, der Mitbegründer der Kommune 1, hat eine nahezu allgemeinverständliche Autobiografie verfasst. Der Alt-68er im AZ-Gespräch über CSU-Rebellin Pauli, Beziehungsarbeit und innere Musik - und wer die Rolle des Langhans spielen könnte.
In Weiß und mit Wallewallemähne nähert er sich auf seinem schwarzen Damenfahrrad. Bestellt im Schwabinger Bistro „Wilder Reis“ einen grünen Tee und eine rote Suppe. Sagt Sätze, die wie seine Haare sind: lang, voluminös und etwas kraus.
Ja, es wäre so leicht, aus Rainer Langhans die Karikatur eines Apo-Opas zu zeichnen. Und so falsch. Denn im Gegensatz zu etlichen Mitstreitern lebt der knapp 68-Jährige nicht im Gestern, sondern im Heute. Und im Überübermorgenland, was es Langhans-Laien – und das sind eigentlich alle außer ihm selbst – nicht immer leicht macht, seinen Sprachkaskaden zu folgen. Jetzt hat der Mitbegründer der Kommune 1 eine sehr kluge, nahezu allgemeinverständliche Autobiografie verfasst. Die AZ traf ihn zum Gespräch.
AZ: Herr Langhans, 40 Jahre 1968: Manche behaupten, Sie haben sich nicht verändert.
RAINER LANGHANS: Doch, die Haare sind grauer geworden. Aber immer noch lang.
Kommt irgendwann der Kurzhaar-Langhans?
Erst wenn die Isar in den Ganges mündet.
Was ist sonst passiert?
Ich werde jünger.
Drogen?
Meditation!
Ihre Generation hat die Jugend erfunden. Wie erleben Sie das Alter?
Positiv. Vor 1968 musste man früh erwachsen sein, schon als Kind. Heute ist es umgekehrt: Als älterer Erwachsener gilt man als scheintot und nur als Jugendlicher lebendig und lebensberechtigt. Jetzt kommt meine Generation rasant in dieses Alter – und wird es neu erfinden.
Sind Sie ein so genannter Best Ager?
Best, Silver, Gold – solche Begriffe, möglichst in Englisch, vernebeln nur, auf was es ankommt. Dass sich der Körper im Alter allmählich zurückzieht, ist in Wirklichkeit die große Chance, das Geistige, das Beste zu erfahren.
Wessen Autobiografie haben Sie zuletzt gelesen?
Uschis. Und etwas aus Eric Claptons. Wie schonungslos er mit seiner Sucht umgeht, fand ich interessant.
Mögen Sie seine Musik?
Äußere Musik finde ich nicht mehr so wichtig. Ich lausche meinem inneren Sound.
Den Magen- und Darmgeräuschen?
Dem weißen Rauschen. Einer polyphonen, nicht-melodiösen Nicht-Musik.
Wissen Sie, was derzeit in den Charts läuft?
Ich höre gelegentlich in die Jugendmusik rein. Mich interessiert, wie sie leben.
Gefällt Ihnen eine Band?
Ja, Tokio Hotel, Bill Kaulitz und so. Guter Rock.
Was haben Sie mit Dieter Bohlen gemeinsam?
Ich glaube, wir äußern beide relativ angstlos unsere Gefühle.
Bohlen und die Frauen, Langhans und die Frauen. Gibt es auch da Parallelen?
Die Ungebundenheit. Bisher fügte er sich nicht den klassischen Paarungsformen.
Der Unterschied: Er hat seine Frauen nacheinander, Sie haben alle gleichzeitig.
Eine Frau nach der anderen abzuservieren – das ist nicht meine Sache. Da finde ich die Harems-Praxis doch weit besser. Alle bleiben wichtig.
Ist Ihr Harem die Hölle oder das Paradies?
Beides. Bei uns wird kein Blatt vor den Mund genommen, und deswegen geht’s scheinbar hart zu. So viel Beziehungsarbeit trauen sich Männer bisher kaum. Mit älteren Frauen – das ist für sie der Horror.
Für Sie nicht?
Wer intensive Beziehungsarbeit mit ihnen zu leisten bereit ist, erfährt viel über sich. Jung werden, nicht jung bleiben wollen – das könnte das neue Altern sein.
Gibt’s unter den Frauen Eifersüchteleien?
Klar. Die Umorientierung auf das moderne, das virtuellere Leben und das Alter fordert das Loslassen vom Körper. Ältere Frauen sind wütend, dass sie sich so schwer damit tun – erst mal auf Männer. Diese Kämpfe darum gibt’s bei uns reichlich.
Wäre noch Platz für eine weitere Frau?
Haben Sie einen Vorschlag?
Ach, sie gehört doch eh schon dazu!
Wie bitte?
Virtuell natürlich. Wie unser Harem ist.
Wo ist die Verbindung?
Das Weibliche, das sie verkörpert, finde ich sehr modern und eigentlich sogar 68er-geprägt – gegen die alten Männer der CSU mit ihrer Doppelmoral und für eine lustvollere Politik.
Frau Pauli hat angeregt, dass jede Ehe nach sieben Jahren ausläuft und erneuert werden muss. Wie finden Sie diesen Vorschlag?
Realistisch! Wir leben doch längst kommunenartig. Aber offiziell muss die Ideologie der unverbrüchlichen Ehe weiter hochgehalten werden – auch wenn sie längst nicht mehr der Lebenswirklichkeit entspricht. Die Kleinfamilie ist tot.
Würden Sie Frau Pauli Asyl gewähren?
Das hat sie nicht nötig. Aber bitte: Gabi, komm in unseren Harem! Wird meine Frauen interessieren.
Aus der CSU ist die Landrätin ja inzwischen geflohen.
Sie wurde vertrieben. Das war eine Kampagne. Nehmen Sie nur einmal die Fotos mit den Latex-Handschuhen.
Die so genannten Domina-Bilder in „Park Avenue“.
Ja, die sind doch eher harmlos im Vergleich zu den opulenten Faschingsverkleidungen von Herrn Beckstein – als Madame Pompadour! Die lassen tief blicken bei ihm.
Er tut’s ja nur im Fasching.
Wieso eigentlich nur da?
Zurück zu Ihnen: Eine Rolle, in der Sie nur wenige kennen dürften, ist der Erotikfilmer Langhans.
Der ist mir auch neu.
Steht auf Seite 133 Ihrer Biografie.
Ah, den Pornofilm meinen Sie! Warum so vorsichtig? Ja, ich war Regieassistent, wollte lernen, wie man Filme macht. Es sollte ein dekonstruierter Porno werden, ein Kunstfilm.
An anderer Stelle steht, wie Sie Uschi Obermaier eine Watschn geben. Pazifismus und Frauen schlagen – wie passt das zusammen?
Natürlich gar nicht. Ich bin kein Heiliger. Ich war verzweifelt.
Gibt es heute noch Gewalt in Ihrem Harem?
Ja, verbale! Bei der Arbeit an meiner Autobiografie drohten die Frauen, nachts mit dem Messer zu kommen.
Wenn Sie überleben: Wovon leben Sie?
Davon, dass ich sehr, sehr wenig konsumiere. Ich lebe unter der Armutsgrenze, auf dem niedrigstmöglichen Niveau, weil ich Materielles für einschränkend halte.
Was fehlt Ihnen?
Momentan nichts.
Ein saftiges T-Bone-Steak?
Mein letztes Hühnchen war vor 35 Jahren.
Oder Reisen?
Wenn du außen viel reist, reist du innen weniger.
Würden Sie Ihre Biografie verfilmen lassen wie Uschi Obermaier?
Das wird schwierig, wie man schon an ihrem Film sah.
Wer könnte den Langhans spielen?
Wenn überhaupt, dann Großmeister Tom Cruise. Aber für das revolutionäre und nicht für das heilige Deutschland.
Glauben Sie an Wiedergeburt?
Es spricht vieles dafür.
Wer waren Sie in einem früheren Leben?
Weiß nicht. Alles. Ein Stein, ein Blatt...
Ein Pflasterstein, ein Hanfblatt?
Auch das. Ich kann mich nicht mehr erinnern.
Hat einer wie Sie Angst vor dem Tod?
Schon noch. Ich übe es ja, damit ich’s kann, bevor ich muss. Nicht, dass ich mich dann wie ein Idiot anstelle.
Wie übt man so etwas?
Ich versuche, meinen Körper schrittweise zu verlassen, bis ich eines Tages so weit bin, dass ich endgültig gehen kann. Davor gibt’s aber noch einiges zu tun: Lieben, Leiden, Lesungen.
Interview: Timo Lokoschat