Frühling kühl, Sommer kalt?
Vulkanausbrüche können das Klima verändern. Wenn der Eyjafjalla so weiter macht, könnte es auch trockener werden, sagen die Meteorologen
Permanente Regen-, Graupel- und Schneeschauer – und das von April bis September, dazu Ernteausfälle, Hungersnöte – das Jahr 1816 ist in die Geschichte als „Jahr ohne Sommer“ eingegangen. Ursache war ein gigantischer Vulkanausbruch auf der anderen Seite der Erdkugel, in Indonesien. Jetzt hat es in nur 2600 Kilometer Entfernung von München, in Island, eine heftige Eruption samt riesiger Aschewolke gegeben. Viele fragen sich: Fällt der Frühling aus, wird der Sommer kälter?
Alles hängt nach Expertenmeinung davon ab, wie lange und wie viel Asche der Vulkan Eyjafjalla im Süden Islands noch ausspucken wird.
Im besten Fall, so Meteorologe Karsten Brandt stellt er in Kürze seine Aktivitäten ein, beruhigt sich. Dann wird der Flugverkehr noch bis Mitte nächster Woche behindert sein, bis sich die Aschewolke aufgelöst hat. Einfluss auf das Wetter wird dies nicht haben. Doch die Informationen aus dem hohen Norden verheißen nichts Gutes.
„Die Asche, die aus den drei Kratern strömt, ist weiterhin sehr dicht und treibt nach Osten – auf den Kontinent zu“, sagte am Freitagabend Einar Kjartansson, Geophysiker am Meteorologischen Institut Islands. „Es schaut so aus, als würde die Ascheproduktion auf diesem Level anhalten. Es gibt auf jeden Fall kein Anzeichen für ein baldiges Ende.“
„Der Ausbruch kann ganz plötzlich aufhören oder zwei Jahre dauern, wie beim letzten Ausbruch am Eyjafjalla 1821. Niemand weiß das“, sagt Geophysiker Martin Hensch am Vulkanologischen Institut.
Auch Karsten Brandt kann über die Dauer des Ausbruchs nur spekulieren – aber er hat sich mit Hilfe seiner Daten ausgemalt, was schlimmstenfalls mit dem Wetter bei uns passieren kann. „Gehen wir vom Szenario aus“, sagt Brandt der AZ, „dass der Asche-Teppich sich noch drei oder gar fünf Monate hält und ein nordwestlicher Wind ihn immer wieder nach Mitteleuropa drückt.“
Dann gäbe es hierzulande zwar „keine Eiszeit“, die Temperaturen würden aber spürbar in den Keller gehen. „Ich rechne dann mit einem Absinken der Durchschnittstemperaturen um 0,7 Grad Celsius.“ 0,7 Grad – das klingt nicht viel, aber es macht das Wetter spürbar kälter. Brandt: „In einem vielleicht ohnehin kühleren Mai könnte es dann wochenlang empfindlich kalt sein.“
Auch das Beispiel von 1816 zeigt, dass schon wenige Zehntelgrad gravierende Auswirkungen haben können: 1816 sank die Durchschnittstemperatur nur 0,9 Grad unters Mittel – und ließ doch den Sommer komplett ausfallen.
Brandts Szenario sagt einen Rückgang der Niederschläge von bis zu 20 Prozent voraus – mit verheerenden Folgen für die Landwirtschaft. Weniger Regen mag gut für die Freizeit sein, kann sich aber langfristig katastrophal auswirken: Der Meteorologe: „Da es ohnehin bei uns im Sommer viel zu trocken ist, drohen dann massive Ernteausfälle.“
Diese Daten, die sein Computer ausgespuckt hat, haben den eigentlich abgebrühten Wissenschaftler überrascht: „Das Szenario macht mir schon ein bisschen Angst, denn die Wahrscheinlichkeit, dass der Vulkan so lange Asche spuckt, ist ja nicht so klein.“
Der unerwüschte Effekt entsteht dadurch, dass die Ascheteile in der Wolke die Sonneneinstrahlung teilweise absorbieren. Brandt: „Das heißt, am Boden wird es kühler, die aufgeheizte Asche erwärmt die höheren Luftschichten – mit der Folge geringerer Niederschläge.“
Aber selbst wenn der Eyjafjalla nur noch vier Wochen aktiv ist, wird das klimatische Auswirkungen bei uns haben: „Dann sinkt die Durchschnittstemperatur bei uns um 0,4 Grad gegenüber dem Mittel – auch das ist nicht zu unterschätzen. Vor allem weil es auch rund zehn Prozent weniger Schauer und Gewitter geben wird, auch das ist gravierend für die Landwirtschaft.“
Michael Heinrich
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