Frühling! Gefühle! Ja, aber warum?

MÜNCHEN - Wenn die Tage wieder länger werden, sprießen auch verstärkt unsere Triebe. Wissenschaftler haben für die Schmetterlinge im Bauch leider eine ganz unromantische Erklärung
Kennen Sie das? Sie wachen früher auf, es ist schon hell, und Vogelgezwitscher versetzt Sie in gute Laune. Beim Weg zur Arbeit bringt Sie das zarte Grün, kräftige Gelb oder festliche Rosa der Blätter und Blüten zum Träumen. Und plötzlich lenkt Sie da ein Lächeln ab, und irgendwie verspüren Sie so ein Kitzeln im Bauch... Dann haben Sie die Frühlingsgefühle gepackt, wissenschaftlich „spring fever“ genannt.
Ja, es ist nicht nur so ein Gefühl, sondern ein Ergebnis von Vorgängen im Körper. Auch die Tierwelt ist - trotz noch kühler Temperaturen - längst im Liebestaumel. Bei ihnen löst das längere Tageslicht zuverlässig Balzverhalten aus. Und wie ist das bei uns Menschen? Auch wir reagieren auf die Sonne und das Tageslicht, von dem wir im Frühling endlich mehr abbekommen als im Winter.
Schlüsselfunktion: Zirbeldrüse
Die Schlüsselfunktion hat unsere Zirbeldrüse. Signalisiert ihr das Licht, dass es hell ist, bremst sie die Konzentration des Schlafhormons Melatonin. Das Sonnenlicht regt die Produktion körpereigener Opiate an, die uns in gute Stimmung und Flirtbereitschaft versetzen.
„Außerdem wird im Körper jetzt das Hormon Serotonin ausgeschüttet, das uns insgesamt wacher und vitaler werden lässt“, sagt der Biopsychologe Peter Walschburger von der Freien Universität Berlin. Das rege zahlreiche Körperfunktionen an, zu denen auch der Wunsch nach Sex gehöre.
Wer plötzlich Schmetterlinge im Bauch hat, wenn er durch Schwabing flaniert, weiß also warum.
Allerdings soll unsere unnatürliche Lebensweise daran schuld sein, dass oft nicht mehr nur im Frühling die Flirtbereitschaft ausgelöst wird. Der Endokrinologe Martin Reincke erklärt das so: „Da wir in unserer hochindustrialisierten Welt mit Hilfe von Kunstlicht die Nacht zum Tag machen, reagieren auch die Hormone nicht mehr auf den Jahreswechsel.“ Das heißt: Nach Ansicht des Hormonforschers ist für uns immer Frühling.
Kaum Zusammenhang mit sexueller Aktivität
Zwar belegten verschiedene europäische Studien bei Männern eine Schwankung der Blutspiegel des männlichen Hormons Testosteron im Herbst und Winter gegenüber Frühling und Sommer mit einem jahreszeitlichen Unterschied von etwa 30 Prozent. Der Zusammenhang mit sexueller Aktivität sei allerdings eher gering. Und es gebe gleich gar keinen Hinweis auf einen Zusammenhang mit der Fruchtbarkeit der Männer oder deren Zeugung von Nachwuchs.
Und was ist mit den Reizen, die der Anblick knapper Tops und Muskelshirts statt aufgeplusterter Daunenjacken auslöst? Und was ist mit der psychologischen Wirkung?
Die spielt beispielsweise für den Biopsychologen Walschburger eine große Rolle: Vogelgezwitscher und blühende Bäume lösten bei vielen Menschen Glücksgefühle aus. Und die wiederum begünstigten die Flirtbereitschaft.
Wenigstens beim Punkt optische Reize sind sich die Forscher einig: Viel nackte Haut im Frühling steigert die sexuelle Erregung. Jetzt muss es also nur noch warm werden, damit wir so richtig in Frühlingsstimmung kommen.
Lucia Glahn