Fitness für Faule: Sixpack per Bauchweggürtel?
Blaue Klettfasern und Neopren-Stoff sollen die Pfunde zum Schmelzen bringen – können einen aber auch zur Weißglut treiben. Ein AZ-Reporter hat die angebliche Wunderwaffe ausprobiert
Das Ding schaut unspektakulär aus. Um nicht zu sagen: unfassbar hässlich. Blaue Klettfasern auf der einen, schwarzer Neopren-Stoff auf der anderen Seite. 40 Zentimeter breit, 1,20 Meter lang. Reicht also locker für den etwas üppigeren Bauchumfang. Für Männer, die sich morgens im Bad dabei erwischen, wie sie vor dem Spiegel die Luft einhalten und abends verstohlen eines dieser Männermagazine durchblättern, auf denen immer so ein Typ mit unfassbar durchtrainierter Bauchmuskulatur anlacht – für Männer wie mich also.
Meinen Bauchweg-Gürtel, der als „Schlankheitsgürtel“ beworben wird, habe ich im Internet gefunden. Model „T-601“ gibt’s für 8,90 Euro. Wieso das Teil „T-601“ heißt, bleibt ebenso ein Geheimnis des Herstellers wie ordnungsmäße Anwendung. Der Gürtel wird in einem rosafarbenen Pappkarton geliefert. Ohne erklärende Worte. Die findet man bei der Produktbeschreibung im Internet: „Durch die verstärkte Wärmeentwicklung am Bauch, führt der Gürtel zu höherem Kalorienverbrauch und greift das Fett an Ihrer Problemzone an.“ So werde der Bauch abgeflacht, die Taille betont. Außerdem biete der Gürtel einen „bestmöglichen Tragekomfort“.
Das mit dem Tragekomfort ist so eine Sache. Früh am Morgen ziehe ich den Gürtel fest um meine Taille, gewillt, ihn den Tag über anzubehalten. Soweit der Plan. Nach zwei Stunden jedoch reiße ich ihn mir vom Leib. Tragekomfort? Von wegen Tragekomfort!
Zuerst spürt man nichts, kommt sich vor wie ein Motorradfahrer, der später auf seine Maschine steigen wird, zur Sicherheit aber schon daheim seinen Nierengürtel angelegt hat. Man läuft anders, breitbeiniger. Man sitzt anders, aufrechter. Exakt das hatte einem Dr. Heinz Kleinöder vom Institut für Trainingswissenschaft der Deutschen Sporthochschule Köln prophezeit. Der Gürtel führe zu bewussteren Bewegungen. „Durch aufrechtes Sitzen werden Muskeln angespannt, so kommen energetische Prozesse in Gang.“ Soll heißen: Zellen werden aktiviert, Kalorien verbrannt.
Um noch mehr Kalorien zu verbrennen, beschließe ich, den Gürtel beim Samstagseinkauf anzubehalten. Ein Fehler. Nein, es ist nicht die Optik. Der Gürtel ist wenige Millimeter dick, unter T-Shirt, Pullover, Mantel fällt er nicht weiter auf. Allerdings falle
Daheim, als ich das Ding ganz ausziehe, riecht es nach alten Gummireifen und ich stelle fest, dass die Haut spürbar feucht ist. Der Gürtel – er führt tatsächlich zur Wärmeentwicklung. Wer ihn trägt, schwitzt, verbrennt Kalorien. Aber kriegt er dadurch auch einen Waschbrettbauch, das so genannte, so umfassend verehrte „Sixpack“?
Heinz Kleinöder, wie Wissenschaftler eben so sind, ist mit Beurteilungen vorsichtig. Zur Fettverbrennung haben sie wenig Untersuchungen, Kleinöder kann sich aber vorstellen, dass der Gürtel die Bauchregion „lokal stimuliert“ – jedoch in einem kaum messbaren Bereich. „Man müsste einen Langzeittest machen, um bestimmen zu können, in welchem Maß er Fett verbrennt.“
Langzeittest, oha. Ich habe meinen nach einem Tag und einer Nacht beendet. Während dieser Zeit zog ich den Gürtel alle zwei Stunden kurz aus, wischte mir den Schweiß ab. Freunde sagen, ich hätte auch in die Sauna gehen können. Wäre gemütlicher gewesen. Und außerdem schwitzt man da am ganzen Körper.
Jan Chaberny
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