Feiern gegen die Zukunftsangst: Viva la Rezession!

Krisen-Swing aus den 30ern, Spar-Wein und geschreddertes Geld statt Konfetti: In den USA boomen Partys gegen Frust und Existenzangst.
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"Feiern, als wär's 1929": Rezessions-Party in New York.
Goddard "Feiern, als wär's 1929": Rezessions-Party in New York.

Krisen-Swing aus den 30ern, Spar-Wein und geschreddertes Geld statt Konfetti: In den USA boomen Partys gegen Frust und Existenzangst.

Lehman Brothers, Landesbank, Krise, Crash, Rezession – es ist zum Heulen. Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel prophezeit ein Jahr schlechter Nachrichten, ifo-Chef Hans-Werner Sinn mahnt: "Die Party ist vorbei." Wirklich? "Die Party geht jetzt erst richtig los", sagt David Monn.

Der smarte Geschäftsmann ist New Yorks berühmtester Partyplaner – und organisiert neuerdings auch so genannte Rezessionspartys. Unter dem Motto "Wir feiern als wär’s 1929" treffen sich New Yorks Feierwillige und spülen Frust und Existenzangst runter – mit billigem Alkohol natürlich. Ganz so wie zwischen 1929 und 1941, als die so genannte große Depression die USA in ihrem eisernen Griff hielt, viele Menschen in die Obdachlosigkeit zwang und mit Arbeitslosenquoten von mehr als 25 Prozent zur Verelendung der Massen fühlte.

Deshalb muten die Veranstaltungstipps mancher Partyplaner auch ein wenig zynisch an. Party-Ratgeberin Megan Baldwin befiehlt in amerikanischer Hauruck-Fröhlichkeit: "Redefinieren Sie die Rezession! In harten Zeiten muss ihr Sozialleben nicht denselben Weg nehmen wie ihr Konto. Machen Sie Zitronenlimonade aus den Zitronen!"

Gegelter Seitenscheitel, Zweireiher und Hut

Wer als "Rezessionista" was auf sich hält, feiert zwar aus Kostengründen in der Privatwohnung, aber stilecht in 30er-Jahre-Kleidung (für die Herren: gegelter Seitenscheitel, Zweireiher und Hut. Für die Damen: Netzstrümpfe, Pillbox-Hütchen und knielange Röcke). So wie bei der New Yorkerin Joanna Goddard und ihrem Freund Alex. "Es gab Bourbon und Ginger Ale, Äpfel und Erdnüsse und dazu Musik von Bing Crosby." Ebenfalls als Partymusik empfohlen: Krisen-Swing von Glenn Miller, Duke Ellington und Benny Goodman.

In mageren Zeiten muss heute wie einst natürlich auch an Essen und Trinken gespart werden. Deshalb gibt’s auf Rezessionspartys Ofenkartoffeln oder Reste-Eintopf. Die Getränkefrage haben findige Geschäftemacher ebenfalls gelöst: Der kalifornische Winzer "Concannon" hat einen "Recession Wine" auf den Markt geworfen. Zu haben in den Sorten Chardonnay, Merlot und Cabernet Sauvignon, für relativ günstige 5 Dollar.

Und was ist mit der Party-Deko? David Monn schlägt selbstgebastelte Papiersterne vor. Megan Baldwin empfiehlt statt Konfetti gleich geschreddertes Geld. Ist ja bald eh nichts mehr wert.

Auch die "Pink-Slip-Partys" kommen zurück

Ganz neu sind die "Wir feiern die Krise weg"-Partys allerdings nicht: Schon 2001 nach dem Platzen der Dot-Com-Blase gab es im Silicon Valley so genannte "Pink-Slip-Partys" für arbeitslose IT-Mitarbeiter. "Pink Slips" werden die Kündigungsschreiben in den USA genannt – früher waren sie traditionell rosafarben. Diese Feiern hatten aber nicht nur das Frusttrinken zum Ziel. Hier wurden auch neue Kontakte geknüpft, Arbeitssuchende konnten ihre Lebensläufe verteilen und vielleicht einen neuen Job finden.

Auch die "Pink-Slip-Partys" erleben jetzt ein Revival – die letzte gab’s am vergangenen Freitag in der New Yorker Kneipe "Public House", fast 500 Banker kamen. Gemeinsam lässt sich die Krise eben leichter ertragen, sagt David Monn: "Das ist das gute an der Rezession – man merkt, was wirklich wichtig ist im Leben: Freunde, Familie, Zusammensein."

Annette Zoch

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