Fall Mirco: Täter brachte den Jungen aus Stress um
MÖNCHENGLADBACH - Er war ein "Zufallsopfer": Bei einer Pressekonferenz am Freitag gab die Polizei Details zum Mord an dem zehnjährigen Mirco bekannt. Der Mörder ist ein dreifacher Familienvater und sein Motiv Stress bei der Arbeit.
Mirco musste sterben, weil ein Manager seinen Frust ablassen wollte. Drei Stunden war der damals zehnjährige Junge in der Gewalt des Täters, der selbst Vater von drei Kindern ist. Die Staatsanwaltschaft wirft Olaf H. vor, Mirco entführt, sexuell missbraucht und ihn anschließend umgebracht zu haben. Es hat gestanden und sitzt in Untersuchungshaft.
„Wir gehen davon aus, dass die Tat ein Ventil für den beruflichen Stress war“, sagt Kriminalkommissar Ingo Thiel, der Leiter der Sonderkommission „Mirco“. „Der Mann war als tickende Zeitbombe unterwegs.“ Am 3. September platzt das Ventil: Olaf H. (45) hatte einen anstrengenden Arbeitstag inDüsseldorf.
Dort arbeitete er als Bereichsleiter bei einem großen Telekommunikationsunternehmen, der Druck ist enorm. Dann kommt ein Anruf von seinem Chef, der „faltet ihn zusammen“, wie er später der Polizei sagt. Nach Hause will er jetzt nicht, also ruft er seine Frau an und sagt ihr, dass er einen Abend mit Kollegen verbringt. Doch er ist nicht verabredet. Stattdessen fährt er planlos in der Gegend von Grefrath umher. Gegen 22 Uhr trifft er auf Mirco, der gerade mit seinem Kinderrad vom Skate-Park nach Hause fährt. „Ein absolutes Zufallsopfer“, sagt Thiel.
Olaf H. versperrt Mirco mit seinem Kombi den Weg. Befiehlt dem Jungen: Bleib stehen, steig vom Rad, ab ins Auto. Der Junge steht unter Schock. Ohne sich zu wehren, gehorcht er seinem späteren Mörder. Der schiebt das Fahrrad in den Graben, wo es Passanten am Tag darauf finden, und fährt er mit Mirco zwölf Kilometer nach Norden, Richtung Geldern. Dann verlässt er die Straße, fährt über einen Feldweg in ein Waldstück.
Er zieht den Buben aus, vermutlich missbraucht er ihn – davon geht die Polizei aus. Vermutlich ist Mirco insgesamt drei Stunden in der Gewalt von Olaf H.. Was genau in dem Wagen geschehen ist, müssen jetzt die Gerichtsmediziner entschlüsseln. Mircos Leiche wird in Düsseldorf obduziert.
Für Olaf H. gibt es nur einen Ausweg: „Den kannst du nicht mehr nach Hause lassen“, so schildert er seinen Gedanken. Er tötet den Jungen und wirft die Leiche aus dem Wagen. Die Stelle liegt nur wenige Kilometer außerhalb des 50-Quadratkilometer-Bereichs, den die Polizei wochenlang durchkämmt hat. Dann fährt Olaf H. zurück, entsorgt Hemd, Jogginghose, Socken und Handy des Kindes am Straßenrand und kommt nachts zu Hause in Schwalmtal an.
Nichts an seinem Verhalten deutet darauf hin, dass der treusorgende Familienvater zum Mörder geworden ist. Olaf H. ist weiter der freundlicheNachbar, der gerne im Garten arbeitet und vor Weihnachten Glühwein ausschenkt. Auch seine Frau (27) bemerkt nichts. Was ihr Mann getan haben soll, erfährt sie erst fünf Monate später, am Mittwochmorgen um 6 Uhr früh, als die Polizei vor ihrer Tür steht. Seit der Tat habe er täglich damit gerechnet, dass die Polizei bei ihm klingele, erzählt Olaf H. später im Verhör. Nach der Verhaftung wirkt er erleichtert. Die Ehefrau (27) und die Kinder, der Sohn (17) und die Tochter (2), werden an einen geschützten Ort gebracht, ein weiterer Sohn (14) lebt bei einer anderen Frau.
Das unauffällige Leben von Olaf H. überrascht die Ermittler nicht. Nach genau so einem Mann haben die Profiler der Soko gesucht. Auch pädophile Neigungen vermuten die Ermittler nicht. „Wir gehen auch nicht davon aus, dass wir kinderpornographisches Material auf seinem Rechner finden“, sagt Thiel. Aus den Verhören schlussfolgert der Kommissar, es sei Olaf H. darum gegangen, einen Menschen in seine Gewalt zu bringen, der Missbrauch sei dabei ein Akt der Erniedrigung gewesen. Schon an einen 15-Jährigen hätte sich der Täter vermutlich nicht gewagt, so Thiel. Wenige Wochen nach der Tat hat sich Olaf H. in seinem Unternehmen versetzen lassen – auf einen weniger nervenaufreibenden Posten. Für Mirco zu spät. jo