Ex-Miss Germany berichtet: "Du machst, was die sagen"

An diesem Samstag wird zum 80. Mal die Miss Germany gewählt. Manche Bewerberin richtet ihr ganzes Leben darauf aus, den begehrten Titel zu bekommen. Zwei ehemalige Missen erzählen, dass das Leben als Miss Germany ein Knochenjob ist.
von  Abendzeitung

MÜNCHEN - An diesem Samstag wird zum 80. Mal die Miss Germany gewählt. Manche Bewerberin richtet ihr ganzes Leben darauf aus, den begehrten Titel zu bekommen. Zwei ehemalige Missen erzählen, dass das Leben als Miss Germany ein Knochenjob ist.

Als ihr die Krone aufgesetzt wurde, hatte Katrin Wrobel Tränen in den Augen – Freudentränen. 2001 ist der Traum vieler Mädchen bei ihr in Erfüllung gegangen. Sie ist die Schönste in ganz Deutschland, die Miss Germany. Sie sagt, wie alle Missen, in die Kameras, dass sie sich ganz wahnsinnig freut und dass sie niemals damit gerechnet hätte zu gewinnen.

Am nächsten Morgen steht sie um vier Uhr auf, es beginnt ihr neues Leben als Miss, mit Fotosession und Interviews. Sie ist voller Elan. Ein halbes Jahr später schmeißt Katrin Wrobel hin, verzichtet freiwillig auf Krone, Shootings und Interviews. „Ich wollte kein Hamster mehr im Rad sein, ich wäre irgendwann total entkräftet gewesen“, sagt sie im AZ-Gespräch. „Das wird einem als Traum verkauft. Aber das Leben als Miss ist völlig fremdbestimmt.“

Die gelernte Arzthelferin war schon 24, als sie gewann, für eine Miss ist das Seniorenalter. Die Teilnahme an der ersten Wahl zur Miss Berlin war für sie nur ein Spaß. „Meine Schwester und ich sind da am Wochenende hin, damit wir montags was zu erzählen haben“, sagt sie. Später hat sie auf Misswahlen immer wieder die gleichen Mädels getroffen. „Viele probieren es immer wieder, das kann zur Sucht werden. Sie brauchen das wohl für ihr Selbstwertgefühl.“ Am heutigen Samstag ist es wieder soweit. Im badischen Rust wird eine neue „Miss“ gesucht, der Ansturm war so groß wie nie (siehe Kasten).

"Viele probieren es immer wieder, das kann zur Sucht werden."

Auch Mirjana Bogojevic ist mehrmals angetreten, bevor sie 2001 Miss Germany wurde. „Anfangs ging das eher von meiner Mutter aus. Sie wollte mich immer irgendwo unterbringen“, sagt sie zur AZ. Das Mädchen mit dem serbischen Namen aus Norderstedt bei Hamburg machte gerade eine Ausbildung zur Krankenschwester, als ihr mit der Wahl zur Miss Hamburg plötzlich eine ganz andere, glamouröse Welt offen zu stehen schien. 1999 war sie zum ersten Mal bei der Miss-Germany-Wahl dabei. „Das war einfach nur aufregend, der Rummel, das Blitzlichtgewitter.“ Gewonnen hat sie nicht, aber Mirjana machte weiter. Sie wurde Miss Lübeck, Miss Schleswig-Holstein, Miss Millenium. Ihre Mutter war stolz. „Natürlich ist das eine Bestätigung. Und mir hat das immer Spaß gemacht.“ 2001 hatte sie dann die Krone. „Man weiß da nicht, was auf einen zukommt.“

Mit dem Gewinn der Miss Germany-Wahl bindet sich die Siegerin an die Miss-Germany Corporation, die die Wahl veranstaltet. „Du machst, was die sagen, erfüllst Termine, die schon längst vor deiner Wahl eingetütet sind“, sagt Katrin Wrobel.

Autogramme geben im Einkaufszentrum, Lose ziehen bei der Tombola im Möbelhaus. Einfluss auf die Engagements, sagt Wrobel, hatte sie keinen. Am besten gefallen hat ihr noch der Job als Buchstabenfee beim Glücksrad. Nach drei Monaten wollte sie etwas kürzer treten. „ Mir ging es an die Gesundheit. Aber es hieß: Die anderen haben das auch geschafft, und die hatten noch viel mehr Stress.“ Mit dem Auto, das jede Miss gewinnt, sollte sie zu den Terminen fahren. „Eine frühere Miss hat mir gesagt: Hunderttausend Kilometer hast du da nach dem Jahr locker drauf.’ Was soll das denn für ein Gewinn sein? Außerdem wollte ich nach einem langen Tag nicht noch selbst stundenlang mit dem Auto durch Deutschland gurken. “

Wrobel ließ es drauf ankommen, kündigte den Vertrag mit dem Management – und verlor damit auch die Krone. „Ich wusste, ich habe einen Beruf gelernt, ich habe Familie und Freunde, ich brauche das nicht. Ein 18-jähriges Mädel traut sich das vielleicht nicht.“ Später hat sie sich auf eigene Faust ins Schauspielgeschäft durchgeschlagen, taucht seitdem immer mal wieder in Fernsehproduktionen auf. „Die Miss–Wahl kann ein Einstieg sein. Aber es hängt viel von einem selber ab.“

Karl Dall und Rudi Carrell waren nett zu Mirjana

Mirjana hat das Jahr durchgezogen – sie hat auch schöne Erinnerungen: wie die Bambi-Verleihung, die sie besucht hat. „Ich wäre da ja sonst nie hingekommen.“ Karl Dall und Rudi Carrell, erzählt sie, seien sehr nett zu ihr gewesen. Sie erlebte aber auch, wie schnell das Interesse an einer Ex-Miss-Germany erlischt. „Du stehst auf der Bühne, überreichst deiner Nachfolgerin die Krone und schon schubsen dich die Fotografen weg. So ist das.“

Ein bisschen was kam danach noch, Mirjana hat Beauty-Tipps moderiert, Schauspielunterricht genommen. Als sie den Profifußballer Jörg Albertz kennenlernt – auch den hätte sie wohl ohne den Titel nicht getroffen – entscheidet sie sich fürs Private: „Er war so viel unterwegs, da hätte ich nicht auch noch unterwegs sein können.“

Heute ist Tochter Lenja zwei, im August kommt das zweite Kind. Die Familie lebt in Mönchengladbach mit Haus und Hund und Garten. Ihre Mutter trauert den Zeiten noch nach, in denen ihre Tochter so etwas ähnliches wie ein Promi war. „Sie war dagegen, dass ich alles aufgebe. Aber ich bin heute glücklich“. Mit dem „Wissen von heute“, sagt die 29-Jährige, würde sie nicht mehr zur Miss-Wahl gehen. „Aber damals war es schon eine Chance auf etwas anderes. Heute gehört es eben zu meinem Leben.“

Auch Katrin Wrobel ist Mutter geworden, ihre Tochter Louisa Katharina ist im Januar geboren. „Zurzeit geht das Baby vor. Aber ich werde weiterhin versuchen, meinen Weg in der Schauspielerei zu gehen“, sagt die 31-Jährige. Die Miss-Germany-Wahl am Samstag wird sie nicht verfolgen. „Das geht irgendwie an mir vorbei“. Was die den Mädchen raten würde? „Viele Mädchen sind nach einem Jahr kaputt. Ihr müsst selbst auf euch aufpassen.“

Tina Angerer

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