Es wird immer schlimmer
Die Lage im Havarie-Meiler Fukushima gerät immer mehr außer Kontrolle. Neue Explosionen und Brände zerstören auch innere Schutzhülle. Wie lange können die Arbeiter noch bleiben?
Tokio - Die Atomkatastrophe von Japan hat eine neue Dimension erreicht – gestern kam eine Hiobsbotschaft nach der anderen: Erstmals ist nun auch eine der inneren Schutzhüllen beschädigt, dazu kommen neue Explosionen, ein kochendes Abklingbecken, Löcher in der Reaktorwand. Besonders dramatisch: Die Radioaktivität in den Kontrollräumen ist mittlerweile so hoch, dass die letzten verbliebenen Mitarbeiter abgezogen werden müssten. Dann wäre der havarierte und vermutlich schmelzende Reaktor sich selbst überlassen.
Wie ernst die Situation im Katastrophenmeiler Fukushima ist, verrät am besten das Statement der Betreiberfirma Tepco, die bisher immer abgewiegelt hatte. Gestern teilte sie mit: „Die Lage ist sehr schlimm.” Nach den Explosionen am Samstag (in Block 1) und Montag (Block 3) gab es gestern nun auch eine Detonation in Block 2 – schlimmer als die bisherigen: Durch den gewaltigen Druck wurde erstmals auch die innere Schutzhülle („Containment”) eines Reaktors beschädigt, bestätigte die japanische Regierung. „Radioaktive Strahlung ist ausgetreten”, sagte ein sehr ernster Ministerpräsident Naoto Kan in einer Fernsehansprache. Die Brennstäbe dort lagen sechs Stunden lang völlig frei.
Katastrophenmeldungen kamen auch vom bisher unauffälligen Block 4: Dort brach ein Brand aus. Er konnte gelöscht werden, doch die Atomaufsicht sagte, man könne nicht ausschließen, dass nun ein Abklingbecken für verbrauchte Brennstäbe koche. Außerdem klaffen jetzt zwei Löcher mit einer Größe von acht Quadratmetern in der Außenwand.
Die Lage in Fukushima gerät offenbar zunehmend außer Kontrolle. Schon am Montag waren 750 der 800 Mitarbeiter in Sicherheit gebracht wurden. 50 Menschen blieben dort, darunter auch Spezialisten der US-Armee. Sie versuchen, die Reaktoren mit Meerwasser zu kühlen. Doch offenbar wird es nun auch für sie zu gefährlich. Die Nachrichtenagentur Kyodo schrieb, die radioaktive Belastung in den Kontrollräumen sei mittlerweile so hoch, dass eine akute Gesundheitsgefahr besteht – Tepco müsste die Beschäftigten abziehen. Ob dies umgesetzt wird, war bei Redaktionsschluss noch unklar.
Die radioaktive Belastung hat sich massiv erhöht: Direkt in Fukushima sind die Strahlenwerte 400 Mal so hoch wie üblich. In der näheren Umgebung sind sie rund 100 Mal so hoch, in Tokio derzeit 22 Mal. „Das sind ohne Zweifel Werte, die die Gesundheit gefährden können”, so Regierungssprecher Yukio Edano. Er appellierte an die Bewohner der Region: „Bitte bleiben Sie in Ihrem Haus und schließen Sie es luftdicht ab.”
In den Medien wurden Tipps für den Umgang mit der Gefahr veröffentlicht: feuchte Lappen ins Gesicht und häufig Kleidung wechseln. Kein Wasser aus der Leitung mehr trinken. Wasserdichte Regenkleidung sei besser als Stoff. Und vor allem: Wenn irgendwie möglich, im Haus bleiben. Allerdings hat der Tsunami sehr viele zerstört.
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