Es geht! Ein Leben (fast) ohne Abfall
Statt einer Vase mit frischen Frühlingsblumen steht auf Shia Sus Esstisch der Müll vergangener Monate. In einem Einmachglas sammelt sie ein paar Kronkorken, Kassenbons und Briefumschläge mit Adressfenster. Ein klein bisserl Müll lasse sich nun mal nicht vermeiden, sagt sie. Doch das kleine Glas reicht bei ihr für die Abfälle eines ganzen Jahres. Die 32-Jährige aus Bochum und ihr Mann Hanno bemühen sich, in ihrem Alltag so gut wie keinen Abfall zu produzieren. „Zero Waste“ (zu deutsch: Null Abfall) nennt sich dieser Lebensstil. Seit rund einem Jahr schreibt Shia Su in ihrem Blog „Wasteland Rebel“ darüber, vor Kurzem ist ihr erstes Buch „Weniger Müll ist das neue Grün“ erschienen.
Hunderte Würmer fressen sich durch Kaffeefilter
Im Badezimmerschrank der 32-Jährigen steht das selbstgemischte Mundwasser im Marmeladenglas neben der Haarspülung aus Roggenkleie und der kompostierbaren Bambus-Zahnseide.
Eingekauft wird gewissenhaft und mit System. „Hanno bringt alle paar Wochen Trockennahrung wie Hülsenfrüchte und Getreide von einem Unverpackt-Laden an seinem Arbeitsplatz in Münster mit.“ Su shoppt am liebsten in einem Vegan-Supermarkt in der Bochumer Innenstadt. Zum Verstauen von Obst und Gemüse hat sie Jutebeutel und Wäschenetze dabei, ihr Müsli füllt sie in ein Einmachglas mit Pfand.
Ein Regal im Flur ist die „Umverteilerecke“ für Krimskrams. Im Moment liegen dort Schlüsselanhänger, Eieruhren und ein Duschkopf. „Besucher können sich hier bedienen“, erklärt Su.
„Für viele lässt sich das Modell nicht dauerhaft durchsetzen“
In der Küche, gleich hinter der Tür, steht eine unscheinbare Holzkiste, unter deren Deckel reges Treiben herrscht: Hunderte Würmer mit gesundem Appetit fressen sich durch Kaffeefilter, Salatblätter und Tageszeitungen: „Die schaffen es, täglich die Hälfte ihres Eigengewichts zu verspeisen. Ausgebüchst sind die übrigens noch nie.“
Fast kein Abfall – kann das jeder schaffen? „Für viele ist Zero Waste zwar kein Modell, das sich dauerhaft für den Alltag eignet“, sagt Philip Heldt, wissenschaftlicher Mitarbeiter für Abfall und Ressourcenschutz bei der Verbraucherzentrale. „Dennoch ist es schön zu sehen, dass es vermehrt als Fastenaktion ausprobiert wird oder dass Menschen immer öfter zumindest auf Plastiktüten oder den Coffee-to-go-Pappbecher verzichten.“
Einige Maßnahmen seien leichter als gedacht. Gemüse sei ja sowieso schon von Mutter Natur unverpackt. Und: „Im Supermarkt lohnt es sich, Ausschau nach sparsamer verpackten Alternativen zu halten“, sagt Heldt.
Kein Abfall wird immer mehr zur Lebenseinstellung
In einem Modeladen in Köln-Ehrenfeld steht Verena Klauss vor einem großen Spiegel und zupft an ihrem ärmellosen Kleid. „Das war mal ein Herrenhemd“, sagt sie schmunzelnd. „Sieht man nur, wenn man’s weiß, oder?“ Die 32-jährige Kostümbildnerin, verheiratet und Mutter zweier Kinder, bloggt unter dem Titel „simply zero“ ebenfalls über Zero Waste und besucht für einen neuen Post die „Kleiderei“. Dort kann man sich für einen festen Betrag im Monat Klamotten, Schuhe, Hüte oder Schmuck ausleihen.
Die Ware ist Second Hand, stammt von nachhaltigen Labels oder ist von Designerin und Ladeninhaberin Lena Schröder „ge-upcyclet“ worden: Faltenröcke werden dann zu Kimonos, alte Jackett-Revers werden in frische Mäntel eingearbeitet.
Für die „Kleiderei“ hat sie eine Mitgliedschaft abgeschlossen und verlässt den Laden in neuer Garderobe – ohne Tüte und Kassenbon.
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