Erster Piraten-Prozess in USA seit über 100 Jahren
WASHINGTON - Piraten vor Gericht: Angeklagt sind fünf Somalier, die im April vor der Küste des ostafrikanischen Krisenlandes auf das US-Kriegsschiff USS Nicholas gefeuert haben sollen.
Der Prozess in Norfolk (US-Staat Virginia) begann am Dienstag (Ortszeit) mit der Auswahl der Geschworenen, wie die Zeitung «The Virginia Pilot» berichtete. Im Falle einer Verurteilung drohen den Angeklagten lebenslange Haftstrafen.
Der erste Prozess gegen mutmaßliche Seeräuber aus Somalia in Deutschland beginnt am 22. November am Hamburger Landgericht. Die zehn Angeklagten sollen das Hamburger Frachtschiff «Taipan» am Ostermontag rund 500 Seemeilen vor der Küste Somalias überfallen und knapp vier Stunden in ihrer Gewalt gehabt haben. Sie waren von einem niederländischen Marinekommando überwältigt und festgenommen worden. Ihnen drohen Höchststrafen von bis zu 15 Jahren.
Nach Angaben der Vereinten Nationen überfordert die Piraterie in Ostafrika die Justizsysteme der dortigen Küstenstaaten. Insbesondere Somalia habe mehr und mehr Probleme, die gefassten Seeräuber unterzubringen und vor Gericht zu stellen, sagte der Chef des UN- Büros für Drogen- und Kriminalitätsbekämpfung, Juri Fedotow, am Dienstag vor dem Sicherheitsrat in New York. Nach seinen Angaben sind derzeit weltweit mehr als 700 Menschen wegen Piraterie in Haft.
Der Prozess in den USA wird voraussichtlich einen Monat dauern. Professor Eugene Kontorovich, einer der führenden US- Seerechtsexperten, sagte dem US-Sender ABC, das Verfahren sei vermutlich der erste Piraterie-Prozess seit 1861. In diesem Jahr begann der amerikanische Bürgerkrieg. 13 Seeräuber aus dem Süden waren damals vor einem Gericht in New York angeklagt. Die Männer wurden später im Austausch gegen Angehörige der Nordstaaten-Armee freigelassen.
Die jetzt angeklagten fünf Somalier waren nach den Schüssen auf das Kriegsschiff, das sie für einen Frachter hielten, festgenommen und in die USA gebracht worden. Ihr Verteidiger David Bouchard sagte ABC, seine Mandanten könnten gar nicht als Seeräuber angeklagt werden, weil sie nicht versucht hätten, die USS Nicholas zu entern. Der Piraterie-Vorwurf sei «das Absurdeste, was ich von der Regierung je erlebt habe», sagte der Anwalt.
Insgesamt halten Piraten an der somalischen Küste derzeit mehr als 20 Schiffe und über 400 Seeleute fest. Erst Ende Oktober war das von Seeräubern vor der Ostküste Afrikas gekaperte Frachtschiff «Beluga Fortune» einer Bremer Reederei wieder freigelassen worden.
Von somalischen Piraten geht auf den Meeren erhebliche Gefahr aus. 2010 verübten sie bislang die meisten Überfälle auf Handelsschiffe. Bis Ende September gingen nach Angaben des Internationalen Seefahrtsbüros (IMB) 44 Prozent aller Piratenakte auf ihr Konto. Von insgesamt 289 Piratenangriffen wurden 126 von somalischen Seeräubern verübt. Von 39 entführten Schiffen mussten 35 vor der somalischen Küste vor Anker gehen.
dpa
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