Erfinder (94!) des Offroad-E-Rollators: "Das hält mich jung"

Mit über 90 Jahren hat sich Gerhart Wissel selbst eine Gehhilfe für die Berge und den Wald gebaut. Daraus ist ein Start-up entstanden, das er jetzt mit zwei Gesellschaftern vergrößert. Er hat schon neue Ideen und eine unglaubliche Lebensenergie.
von  Rosemarie Vielreicher
Gerhart Wissel aus Überlingen - mittlerweile ist er 94 Jahre alt.
Gerhart Wissel aus Überlingen - mittlerweile ist er 94 Jahre alt. © Wissel Alpin GmbH

Man kann es kaum glauben, aber der Herr am anderen Ende des Telefons ist wirklich 94 Jahre alt. Gerhart Wissel aus Überlingen am Bodensee ist voller Tatendrang und Ideen. Obwohl er schon rund 30 Jahre im Ruhestand sein könnte.

Er lacht viel, scherzt, nennt sich selbst zum Spaß einen Jüngling - schließlich ist er noch nicht über 100. Wie sagte schon der "Monaco Franze": ein ernsthafter älterer Herr? Auf gar keinen Fall!

Vor über zwei Jahren hat die AZ erstmals mit Wissel gesprochen. Daran erinnert er sich sofort und genau. Er hatte damals ein Start-up gegründet, über das deutschlandweit berichtet wurde. Sein Antrieb: Er wollte auch im Alter nicht darauf verzichten, sicher in die Berge und in den Wald zu gehen. Also tüftelte der frühere Maschinenbauer an einem Offroad-E-Rollator. Heraus kam: sein Wissel Alpin E-Hiker.

Turbo-Rollator hat sogar Schneeketten

Insgesamt 300 Betriebsstunden lang hat der Senior aus Baden-Württemberg sein Gefährt selbst getestet und verbessert. Das erzählte er im August 2023. „Er ist für große Spaziergänge und Wanderungen ohne Klettersteige gedacht, nicht für den kurzen Gang zum Bäcker", sagte er über seine Erfindung.

Eigentlich war der Turbo-Rollator mit drei Reifen erst nur für ihn selbst konstruiert, dann bastelte er ihn auch für Gleichgesinnte. In einer kleinen Werkstatt entstanden die ersten zehn Stück.

Gerhart Wissel und Florian Laube.
Gerhart Wissel und Florian Laube. © Wissel Alpin GmbH

In den Hinterrädern hat das Gefährt etwa zwei elektrische Fahrradmotoren. Ein Hüftgurt zum Umschnallen hilft dabei, "sanft" eine Steigung nach oben zu kommen. Die Handgriffe könnten zudem geschwenkt werden, wie er jetzt schildert. "Das ist wahnsinnig wichtig: Wenn Sie immer starr gerade aus die Hände halten, krampft es bis in die Schulter rein", erzählt er.

Das zeichnet das Gerät aus: Einer, der die Fallstricke im Alter am eigenen Körper kennt, hat es konstruiert. Sogar an Schneeketten hat er gedacht.

Der Senior holt zwei Gesellschafter an Bord

Mit dem Ergebnis und den Rückmeldungen von Käufern ist er "sehr zufrieden". Trotzdem verändert er jetzt etwas in seinem Start-up. "Ich habe es vergrößert und zwei junge Unternehmer als Gesellschafter mit hineingenommen", sagt er der AZ.

So schauen die Wissel-Gefährte aus.
So schauen die Wissel-Gefährte aus. © Wissel Alpin GmbH

Mathias Stahl und Florian Laube übernähmen die operativen Aufgaben - die Produktion und den Verkauf. "Und ich rauche eine dicke Zigarre als Aufsichtsratsvorsitzender", sagt der 94-Jährige mit einem Lachen.

In einer Mitteilung von Wissel Alpin heißt es: "Mit der Markteinführung im In- und Ausland werden Fertigungslosen von jeweils 100 Stück geplant, die die Nachfrage bedienen und gleichzeitig die Qualität der Geräte sichern." Wissel weiß freilich, preislich ist es der "SUV unter den Rollatoren". Der E-Hiker wird mit 5499 Euro online angegeben.

"Ein alter Mann braucht keine Arbeit, er braucht Aufgaben"

Wissel sagt über die Veränderung in seiner Firma: "Ich bin jetzt frei und am Neu-Erfinden." Denn klar ist: Auf Ruhestand wird es bei ihm nicht hinauslaufen. Mehr will er aber zu seinen neuen Ideen noch nicht verraten. Der Senior ist davon überzeugt: "Ein alter Mann braucht keine Arbeit, er braucht Aufgaben."

Neue Dinge zu schaffen und daran zu tüfteln, ist schon seit Teenager-Tagen seine Leidenschaft. "Das hält mich jung." Und die tägliche Zigarre, fügt er verschmitzt an.

Er hat schon einen 103-Jährigen aus Bayern beliefert

Mit seiner Erfindung hat er auch anderen Senioren schon mehr Lebensqualität zurückgebracht. Er erzählt zum Beispiel von einem 103-Jährigen aus Bamberg. Der habe eine Hand im Krieg verloren, Wissel hat ihm den E-Hiker so umgebaut, dass er das Gefährt mit einer Hand steuern kann. "Jetzt marschiert er damit."

Und wenn man Wissel so reden hört, bleibt eigentlich kein Zweifel daran, dass auch er mit 103 noch herummarschieren wird.

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