Er antwortet auf Zetteln
Der Terrorist von Boston ist ansprechbar - aber sprechen kann er immer noch nicht. Das FBI will von ihm so viele Informationen wie möglich
Boston - Dschochar Zarnajew, der überlebende Attentäter von Boston, ist aufgewacht. Nun versucht die Polizei fieberhaft, Informationen von dem 19-Jährigen zu erhalten.
Problem: Er kann derzeit nicht sprechen und die Ärzte der Beth Israel Klinik sind skeptisch, ob er je wieder dazu in der Lage sein wird. Offenbar hatte er versucht, sich umzubringen, sich aber nur in den Hals geschossen.
Deshalb gebe Zarnajew nun schriftlich Antworten auf die Fragen des FBI, berichtet der US-Sender NBC. Allerdings seien diese Antworten sehr lückenhaft, auf manche Fragen gebe er keine Auskunft, heißt es. Nähere Inhalte wurden nicht bekannt.
Die Ermittler befragen Zarnajew derzeit ohne Anwalt. Dies ist dank einer Ausnahme-Regelung möglich, der so genannten „public safety exemption“: Wenn die nationale Sicherheit bedroht ist, können US-Bürgern für 24 Stunden ihre in der Verfassung garantierten Rechte entzogen werden.
Republikanische Politiker fordern sogar, Zarnajew als so genannten „enemy combatant“, als „feindlichen Kämpfer“, einzustufen. Dann könnte er so behandelt werden wie die Gefangenen in Guantánamo – er dürfte auf unbestimmte Zeit ohne Anklage und ohne Anwalt festgehalten werden. Andererseits hat Zarnajew die US-Staatsbürgerschaft, und für Amerikaner ist der Kämpfer-Status bisher ausgeschlossen.
Die Ermittler interessiert vor allem, ob Zarnajew und sein Bruder noch weitere Unterstützer hatten, ob gar eine Terror-Organisation hinter den Attacken steht. Ed Davis, Polizeichef von Boston, berichtet außerdem von einem Riesen-Waffenarsenal, was man bei den Brüdern gefunden habe: mindestens fünf Rohrbomben, vier Handfeuerwaffen, außerdem Sturmgewehre.
Der Mann, dessen SUV die beiden Brüder auf ihrer Flucht gekapert hatten, erzählt außerdem, dass die Brüder nach New York wollten – wollten sie dort weitere Anschläge begehen?
Das FBI muss sich drei Tage nach der spektakulären Festnahme des Attentäters aber auch immer mehr Kritik anhören: Wie jetzt bekannt wurde, hatten die russischen Behörden das FBI im Jahr 2011 auf Tamerlan Zarnajew hingewiesen.
Die Kollegen in Moskau glaubten, Zarnajew habe „radikale Ansichten“ und womöglich Kontakt zu Islamisten im Nordkaukasus.
Das FBI bestellte Tamerlan zum Verhör – doch man fand keine Hinweise auf Terror-Pläne. „Das ist ein geheimdienstliches Versagen“, kritisieren die Kongressabgeordneten Michael McPaul und Peter T. King. „Dieser Fall wirft ernsthafte Fragen über die Wirksamkeit der Terrorismusbekämpfung auf.“
In Boston und ganz Massachussetts waren die Bürger am Montagabend zu einer Schweigeminute aufgerufen. Zum Zeitpunkt der Explosion sollten im ganzen Staat die Kirchenglocken läuten.