"Ein normales Leben ist nach diesem Horror nicht möglich"

Der Inzest-Fall: Die Töchter missbraucht und gefangen gehalten – in Braunau in Österreich ahnte niemand etwas davon. Was ein Münchner Psychologe dazu sagt.  
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Der Inzest-Fall: Die Töchter missbraucht und gefangen gehalten – in Braunau in Österreich ahnte niemand etwas davon. Was ein Münchner Psychologe dazu sagt.

BRAUNAU - Er ist klein, schmächtig und gehbehindert. Dass der 80-jährige Gottfried W. seine beiden Töchter in einem idyllischen Haus im österreichischen St. Peter am Hart 41 Jahre lang unter seiner Kontrolle hielt, vergewaltigte und misshandelte, ohne dass die Öffentlichkeit etwas davon merkte, scheint unvorstellbar.

Nach außen wahrte der Familienvater, der regelmäßig in die Dorfkirche ging, eine perfekte Fassade. Vor seinem Anwesen stand ein Schild, das Autos und Motorrädern die Zufahrt zu dem Haus verbot – ausgenommen waren Anwohner des Hauses St. Peter 12. Zwar war bekannt, dass W. seine geistig beeinträchtigten Töchter abschottete. „Ich habe eine der Frauen manchmal gesehen, wenn sie das Grab der Mutter gespritzt hat oder die Mülltonne rausgebracht hat, sonst aber nicht“, sagt der Anwohner Josef Pointecker.

Ein Nachbar glaubte, die Eltern würden ihre Kinder verstecken, weil sie sich für deren Handicap schämten. Die schreckliche Wahrheit hatte niemand geahnt. „Die Kinder absolvierten die Volksund die Sonderschule und haben danach in der Landwirtschaft mitgearbeitet. Da sie auch ehelich geboren wurden, fällt das für uns nicht auf“, sagte Braunaus Bezirkshauptmann Georg Wojak. Auch der Bürgermeister von St. Peter, Rüdiger Buchholz, versicherte, dass es keine Hinweise auf Missbrauch gegeben habe.

Die heute 53und 45 Jahre alten Töchter und ihre Mutter Berta W., die 2008 verstarb und die der Tyrann ebenfalls missbrauchte, waren so eingeschüchtert, dass sie nie zur Polizei gingen. „Die Drohungen des Täters waren sehr ernst zu nehmen“, sagt Dr. MarkosMaragkos vom Lehrstuhl Klinische Psychologie& Psychotherapie der LMU München zur AZ. „Da entwickelt sich eine unglaublich starke Angst.“ Die Töchter, die seit ihrer Kindheit gequält worden waren, standen seit dem Tod der Mutter unter Sachwalterschaft – einer Art Vormundschaft. Auch ihrem Betreuer hatten sie nie etwas erzählt. Erst während der Vater, den die ältere Tochter bei einem Übergriff zu Fall gebracht hatte, im Krankenhaus lag, trauten sich die Schwestern zu sprechen.

Sie erzählten auch, wie der Vater sie mit Gewehren bedroht habe. Im Gegensatz zu Josef F. aus Amstetten, der sieben Kinder mit seiner gefangenen Tochter gezeugt hatte, gibt es im Fall Braunau offenbar keine Kinder. Die Staatsanwaltschaft hofft, dass noch in diesem Jahr Anklage gegen W. erhoben werden kann. Die Schwestern befinden sich nun in einer Notunterkunft. „Ein normales Leben, wie wir es kennen, ist nach diesem jahrzehntelangen Horror nicht möglich“, so Maragkos. „Die Betroffenen können aber lernen, sich einem normalen Alltag zu nähern.“

 

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