Ein krimineller Erfolg
Hinter dem Das Konsolen-Spiel „GTA IV“ stehen dreieinhalb Jahre Entwicklungszeit, ein 100 Millionen Dollar Budget und über 1000 weltweit operierende Mitarbeiter. „Grand Theft Auto IV“ lockt mit Gewalt – und bricht alle Rekorde.
Das erste Maiwochenende – die Spielabteilungen der Kaufhäuser sind gnadenlos überfüllt. Trotzdem quält sich Martin durch die Schlangen. Er will „Grand Theft Auto IV“ kaufen. Das Computerspiel, von dem man sagt, es wäre das Beste aller Zeiten. Darauf angesprochen fängt der Verkäufer bloß an zu lachen und auch die übrigen Kunden amüsieren sich: „Das ist doch längst vergriffen, da müssen Sie später wiederkommen!“
Noch nie gab es so einen Wirbel um ein Videospiel. In der ersten Woche verkaufte sich „Grand Theft Auto IV“ (kurz „GTA IV“) sechs Millionen Mal. Allein 3,6 Millionen Spiele wurden am ersten Tag verkauft. „Die Verkaufszahlen in der ersten Veröffentlichungswoche stellen das beste Ergebnis in der Geschichte der interaktiven Unterhaltung dar“, sagt Strauss Zelnick, Vorstandsvorsitzender von Take Two, Mutterkonzern der Herstellerfirma Rockstar Games. Keine Neuerscheinung im Bereich Film oder Musik hätte jemals bessere Zahlen eingespielt. Zum Vergleich: Der Kinohit „Iron Man“ spielte in der ersten Woche etwa 122 Millionen Dollar ein. Dem gegenüber stehen Einnahmen von 500 Millionen Dollar für das Spiel.
Ein Erfolg, hinter dem ein grandioser Aufwand steckt. Die Metropolen der westlichen Hemisphäre sind zugepflastert mit Plakaten, auf denen die Spielcharaktere abgebildet sind. In München lutscht an S-Bahn-Stationen Lola lasziv an ihrem Lolli und am Sendlinger Tor thront über den wartenden Fahrgästen die grimmige Hauptfigur Niko Bellic auf einem zehn Meter Banner. Daneben hängt wieder das „Lollipop“-Girl Lola, das im Spiel offenbar aber gar nicht auftaucht. Im Internet wurde deshalb bereits ein „Findet Lola“-Preis ausgelobt, hier kursieren unzählige Teaser, Blogs und Foren, die das Spiel als „revolutionär“ abfeiern. Rund um die Uhr rotieren dazu auch im TV Werbespots für „GTA IV“.
Hinter „GTA IV“ stehen dreieinhalb Jahre Entwicklungszeit, ein 100 Millionen Dollar Budget und über 1000 weltweit operierende Mitarbeiter. Die kreativen Köpfe von „GTA“ sind die Brüder Sam und Dan Houser. Ihre bisher neunteilige Spielereihe wanderte seit dem Startschuss 1997 über 65 Millionen Mal über die Ladentheken – nur die mutmaßlich großen Würfe der Reihe wurden fortlaufend nummeriert.
In „GTA IV“ schlüpft der Spieler in die Rolle des osteuropäischen Einwanderers Niko Bellic, der sich in dem gewalttätigen, pervertierten New York-Verschnitt „Liberty City“ hocharbeiten muss. Das Spiel lotet erstmals völlig die grenzenlose Welt eines „Open World Games“ aus. Darunter versteht man eine Mischung aus Actionspiel, Autorennen und Improvisation, die dem Spieler die Möglichkeit gibt, entweder seine Missionen zu erfüllen oder selbständig die Stadt zu erkunden.
Alles mögliche können die Spieler mit ihrer virtuellen Freiheit anfangen. Genau hier haken auch die meisten „GTA IV“-Kritiker ein. Autos aufknacken, Passanten überfahren oder Polizisten anzünden – moralische Grenzen existieren in „Liberty City“ nicht. „USA Today“ verglich das Spiel deshalb gar mit einem „virtuellen Ausbildungslager zum Verbrecher“. In einem „CNN“-Beitrag wurden Eltern davor gewarnt, dass sich ihre Kindern dort Prostituierte anheuern und sie dann mit einem Baseballschläger töten können.
Für Erinder Houser ist „GTA IV“ dagegen einfach nur die „Videospielversion eines Gangster-Romans“. Er verweist auf den Satire-Faktor, beispielsweise wenn in „GTA IV“ die grinsende „Statue of happiness“ einen Starbucks-Becher statt einer Fackel in der Hand hält. Doch Satire hin, Satire her, in Deutschland ist das ungekürzte Spiel erst ab 18 Jahren freigegeben. Florian Koch
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