Ein Jahr leben wie in der Bibel

Die US-Autorin Rachel Held Evans (31) hat zwölf Monate gelebt, wie es die Bibel Frauen vorschreibt – und mit ihrem kritischen Buch bringt sie jetzt Strenggläubige gegen sich auf
von  V. Assmann

Die US-Autorin Rachel Held Evans (31)hat zwölf Monate gelebt, wie es die Bibel Frauen vorschreibt  – und mit ihrem kritischen Buch bringt sie jetzt Strenggläubige gegen sich auf

DAYTON Welche große Rolle Religion in den USA spielt, war während des Wahlkampfs überdeutlich. Da verwundert es nicht, dass jetzt eine junge Frau mit einem ungewöhnlichen Selbstversuch für Debatten sorgt: Ein Jahr lang lebte die 31-jährige Rachel Held Evans so, wie es die Bibel den Frauen vorschreibt.

Mit traditioneller Rollenverteilung hatte Evans lange nichts zu tun. Sie arbeitete als Bloggerin und Autorin. „Ich konnte nicht einmal einen Knopf an eine Bluse annähen”, sagt die 31-Jährige. Schaute sie sich jedoch in ihrer Heimatstadt Dayton in Tennessee um, stellte sie fest: Unter den Gläubigen sind viele, die sich etwa auf die Bibel berufen, wenn sie sagen, dass Frauen keine Karriere machen dürfen. Evans: „Ich glaube, dass viele Menschen Nutzen aus der Idee ziehen, dass die Bibel Frauenrechte beschränkt.” Und sie entschloss sich, die Bibel in Frauenfragen für ein Jahr beim Wort zu nehmen.

Das brachte erstmal äußerliche Veränderungen mit sich: Evans ließ ihr Haar wachsen, wie es im 1. Korinther, 11, 15 geschrieben steht. Eine Frisur war bald nicht mehr auszumachen. Evans scherzt über ihr Aussehen zu dieser Zeit: „Hätten sie mich gekannt, hätte man das anders geregelt.” Dazu trug Evans schlichte, selbst geschneiderte Kleider. Doch nicht alles hielt sie wirklich ein Jahr lang durch: Nur eine zeitlang nannte sie ihren Mann Dan tatsächlich „Meister”, dann fand sie das albern.

Auch der Alltag änderte sich, bis hin zum Absurden: Evans stand vor dem Morgengrauen auf, gehorchte ihrem Mann Dan. Klatsch und Tratsch hielt Evans von sich fern. Und während ihrer Menstruation campte sie in einem Zelt vor dem Haus.

Überhaupt die Regelblutung. Im dritten Buch Mose heißt es: „Wenn ein Weib ihres Leibes Blutfluss hat, die soll sieben Tage unrein geachtet werden; wer sie anrührt, der wird unrein sein bis auf den Abend.” Rachel Evans hielt sich dran: „Kein Händeschütteln, keine Umarmung und natürlich kein Sex”, sagt sie. „Und ich konnte auch nicht mit meinem Mann tanzen.” Als sie dann mal gemeinsam eine Hochzeit besuchten, sorgte das für reichlich Erklärungsbedarf.

Mit dem Fotoapparat hielt die 31-Jährige ihre Erlebnisse fest: Die Weihnachtspäckchen an ihren Mann, die sie mit „Master” beschriftete. Post-its mit der Erinnerung, sie solle sich nicht an Klatsch beteiligen. Rachel, die Haushälterin, mit Besen. Und wie sie am Ortseingang steht und ein Schild in die Höhe hält „Dan ist großartig”. Denn in Sprüche 31, 23 heißt es: „Ihr Mann ist bekannt in den Toren, wenn er sitzt bei den Ältesten des Landes.”

Unter konservativen Christen kam Evans Projekt nicht gut an. Sie mache sich doch nur lustig, warfen ihr Kritiker vor. Mit ihrem Buch „A Year of biblical Womanhood” handelte sie sich schließlich Ärger einer der größten christlichen Buchkette des Landes und ihrem Verlag ein: Die Händler boykottierten ihr Buch, weil darin mehrmals das Wort „Vagina” vorkommt. Evans erfand später den Begriff „VaginaGate”. Der Verlag war kurz davor, das strittige Wort zu entfernen, doch Evans blieb bei ihrer Version. Jetzt müssen sich die Leser das Buch woanders besorgen.

Evans selbst ist froh, dass ihr Selbstversuch hinter ihr liegt. „Ich würde das keiner anderen Frau empfehlen.”

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