Discounter Lidl muss für Spitzeleien teuer büßen
Weil Lidl in hunderten Filialen Detektive und Kameras gegen die eigenen Mitarbeiter eingesetzt hatte, muss der Discounter ein millionenschweres Bußgeld zahlen. Betriebsräte sind immer noch eine Seltenheit.
Die Bespitzelung seiner Mitarbeiter kommt Lidl teuer zu stehen: Der Discounter muss ein Bußgeld in Höhe von fast 1,5 Millionen Euro zahlen. Gegen die 35 Lidl-Vertriebsgesellschaften wurden wegen zum Teil schwerwiegender Datenschutzverstöße Bußgelder zwischen 10.000 und 310.000 Euro festgesetzt, wie das baden-württembergische Innenministerium am Donnerstag mitteilte.
Die Gesamthöhe liegt bei 1.462.000 Euro. Lidl habe dem Datenschutz in der Vergangenheit einen zu geringen Stellenwert beigemessen, rügte die Behörde. Das baden-württembergische Innenministerium war als Aufsichtsbehörde für den Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich federführend in dem Verfahren, da Lidl seinen Hauptsitz in Neckarsulm bei Heilbronn hat.
Auch Edeka und Plus betroffen
Das Unternehmen hatte im März eingeräumt, in 219 Filialen Detektive eingesetzt zu haben. Nach Darstellung von Lidl war es darum gegangen, Waren gegen Diebstahl zu sichern. «Offensichtlich übereifrige Detektive» hätten dann über ihren Auftrag hinaus Informationen beschafft. Später hatten auch Edeka und Plus eingeräumt, Mitarbeiter per Video überwacht zu haben. Insgesamt wurden gegen 35 Lidl-Vertriebsgesellschaften in Deutschland Überprüfungen eingeleitet. Mit dem Fall waren die Datenschutzaufsichtsbehörden der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein beschäftigt.
Grenzen des rechtlich Zulässigen überschritten
Der Aufsichtsbehörde zufolge hatten rund 30 Lidl-Vertriebsgesellschaften vom 1. Januar 2006 bis Ende März 2008 in mehr als 900 Fällen sogenannte Ladendetektive mit Kamera beauftragt. Dabei seien zum Teil umfassende Revisionsberichte entstanden, die auch das Verhalten der Mitarbeiter betroffen hätten. Bei etwa der Hälfte der noch vorhandenen Protokolle seien die Grenzen des rechtlich Zulässigen überschritten worden. Zwölf Vertriebsgesellschaften wurden wegen datenschutzwidriger Einsatzberichte mit Bußgeldern zwischen 3.000 und 15.000 Euro belegt.
Keine Datenschutzbeauftragten weit und breit
Gerügt und teilweise auch mit Bußgeldern geahndet wurde zudem die Tatsache, dass in rund 80 Fällen Vertriebsgesellschaften in nahezu allen Bundesländern ihre Mitarbeiter mit Kameras verdeckt observieren ließen. Dies habe sich nur in einem Teil der Fälle rechtfertigen lassen. Zudem wurden alle 35 Vertriebsgesellschaften mit einem Bußgeld von jeweils 10.000 Euro belegt, weil sie bis Anfang Juni 2008 keinen betrieblichen Datenschutzbeauftragten hatten, obwohl sie dazu verpflichtet waren. «Auch wenn insgesamt keine flächendeckende, also alle Filialen betreffende Überwachungen vorgenommen wurde, kann angesichts der Zahl der durchgeführten Einsätze auch nicht nur von Einzelfällen gesprochen werden», erklärte die Aufsichtsbehörde abschließend.
Gewerkschaft kritisiert Lidl weiter
Am Wochenende hatte Lidl mitgeteilt, man werde die Bußgelder mit großer Wahrscheinlichkeit ohne Widerspruch akzeptieren. Am Donnerstag erklärte das Unternehmen, die Regionalgesellschaften hätten die Bußgelder akzeptiert. Das Unternehmen verwies darauf, das zurzeit ein ganzheitliches Datenschutz- und Sicherheitskonzept schrittweise umgesetzt werde. Die Gewerkschaft ver.di zeigte sich zufrieden. «Eine Millionensumme ist auch für ein solches Unternehmen keine Petitesse», sagte die stellvertretende Vorsitzende Margret Mönig-Raane stern.de. Das Bemühen um Verbesserung des Datenschutzes sei erkennbar. Allerdings erschwere der Discounter weiterhin mit Einschüchterung der Mitarbeiter die flächendeckende Gründung von Betriebsräten. (AP)
- Themen:
- Gewerkschaften