Dioxin in Eiern: Ekelhafte Profitgier
MÜNCHEN/HANNOVER - Massentierhaltung und Gewinnmaximierung machen die Herstellung von Lebensmitteln immer mehr zum riskanten und gesundheitsgefährdenden Geschäft.
Die Absicht ist offensichtlich: Um Produktionskosten zu sparen, verwendet ein Hersteller von Futtermitteln Fettsäuren, die nur für die technische Industrie als Schmiermittel vorgesehen und entsprechend etikettiert sind. Die Folge: Hühner, Ferkel und vermutlich auch Puten fressen das verunreinigte Futter, der Verbraucher büßt für die schiere Profitorientierung eines Herstellers mit dioxinverseuchten Eiern und Schweinefleisch und der entsprechenden Gesundheitsgefährdung. Doch das ist in der Geschichte der Lebensmittelskandale kein Einzelfall.
Immer wieder kommt die Lebensmittelindustrie ihrer eigentlichen und vornehmsten Aufgabe nicht nach, die Menschen mit guten und sicheren Lebensmittel zu versorgen.
Zum ersten Mal rückten solche gewinnorientierten Manipulationen 1981 in den Blick der Öffentlichkeit: Damals gab es mehr als 1000 Tote und 20000 Vergiftete, weil in Spanien angeblich hochwertiges Olivenöl mit minderwertigem Industrie-Rapsöl gepantscht wurde, das für Menschen hochgiftig ist. Dann ging es Schlag auf Schlag:
1985: Mit Bakterien und Hühnerkot verunreinigte Eier werden zur Herstellung von Teigwaren verwendet – das war der deutsche „Schleuder-Ei-Skandal“.
1985: Beim Glykol-Skandal wird in Österreich und Deutschland Wein mit Frostschutzmitteln gepantscht.
2002: Für Mengen von Tierfutter, vor allem für Geflügel, wird aus verseuchten Shrimps gefertigtes Fischmehl verwendet.
2003: In Österreich wird alte, vom Verbrauchsdatum her längst abgelaufene Wurst umetikettiert und als Frischware verkauft.
2005: In ganz Deutschland bieten Supermarktketten altes Hackfleisch ebenfalls als frische Ware an.
2006: In diesem Jahr ereignet sich der erste von noch vielen folgenden Gammelfleisch-Skandalen. Bei ihnen gelangte untaugliches Fleisch in den Lebensmittelhandel. Dies geschah meist in betrügerischer Absicht, zum Beispiel durch die Verarbeitung von Schlachtabfällen.
2007 wird ein weiterer Gammelfleischskandal verhindert, als ein wachsamer Lkw-Fahrer aufdeckt, dass ein bayerisches Unternehmen mehr als elf Tonnen Gammelfleisch an Dönerfleischproduzenten liefern wollte.
2007: Ein Eieraufschlagbetrieb in Ingolstadt verarbeitet in großem Stil verdorbene Eier.
2008: In Niedersachsen verwendet eine Fleischfabrik monatelang Tonnen von eiternden Schweineköpfen zur Herstellung von Wurst.
2008: Italienische Molkereien mischen vergammelten Käse in ihre Produkte, Mozzarella und Co. werden exportiert. Auch die Schmelzkäse-Herstellung eines italienischen Herstellers in Bayern ist betroffen.
Es ist also offensichtlich: Die Sicherheit der Verbraucher ist Lebensmittelherstellern oft weniger wichtig als eine Gewinnmaximierung. Auch die Agrar-Expertin vom Bund, Reinhild Benning, beobachtet die Entwicklung zur rein profitorientierten Landwirtschaft mit Sorge – zum Beispiel bei der Massentierhaltung. Benning zur AZ: „Natürlich brauchen immer größere Betriebe immer größere Mengen an Futtermitteln, so dass auch dort eine riskante Industrialisierung einsetzt.“
Während noch vor wenigen Jahren jeder Landwirt die Hälfte seines Tierfutters aus eigenem Anbau beziehen musste, kann es heute zu 100 Prozent zugeliefert werden. Benning: „Das hat der damalige Landwirtschaftsminister Horst Seehofer durchgepaukt.“
Längst haben seither auch internationale Investoren die Macht über die Großbetriebe übernommen – ein Niederländer will jetzt beispielsweise in Niedersachsen einen einzigen Betrieb mit 67000 Schweinen errichten. Bäuerliche Landwirtschaft ist zum internationalen Geschäft verkommen. Mit allen ekligen Folgen.
Michael Heinrich
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