Die Todesnacht von Perm: "Meine Damen und Herren, wir brennen"
MOSKAU - Es sollte ein Freudenfest werden. Doch für rund 250 Gäste einer Betriebsfeier eines Nachtclubs in der russischen Stadt Perm wurde es ein Alptraum. Die Überlebenden schildern Momente wie aus einem Horrorfilm.
Bei einem verheerenden Brand im Lokal «Lahmendes Pferd» starben in der Nacht zum Samstag mindestens 109 Menschen. Viele wurden bei der panischen Flucht der Gäste zu Tode getrampelt, andere erstickten oder verbrannten. Etwa 90 Menschen erlitten schwere Verletzungen. Die Flammen wurden nach ersten Ermittlungen vom Funkenflug einiger Zimmerfontänen entfacht und verwandelten den Raum binnen Minuten in einen Feuerball. Das Video eines Gastes zeigte, wie Menschen im dichten Rauch um ihr Leben kämpften. Sichtbar schockierte Überlebende schilderten am Samstag Momente wie aus einem Horrorfilm.
«Brennendes Plastik tropfte von der Decke auf meine Haut, ich bin nur noch gelaufen», sagte Denis Michailow. Er sei mit einem Freund zu der Feier gekommen. «Ich kann ihn nicht finden, er muss unter den Toten sein.» Am Unglücksort spielten sich grauenhafte Szenen ab. Während die Feuerwehr den Brand löschte, trugen Rettungskräfte immer mehr Leichen ins Freie. Im Abblendlicht der Löschfahrzeuge lagen bald dutzende Körper auf der Straße im Schneematsch. Weinen und Schreie waren auf Amateuraufnahmen zu hören. «Es kommen immer mehr Menschen, die ihre Bekannten suchen», sagte ein Feuerwehrmann mit Tränen in den Augen. «So viele junge Leute.»
Kurz vor der Katastrophe gegen 2.00 Uhr Ortszeit hatte eine Rock`n`Roll-Tanzgruppe die Gäste mit dem Queen-Klassiker «We Will Rock You» unterhalten. Als die mit Reisig verhängte Decke Feuer fing, sagte der Moderator salopp: «Meine Damen und Herren, wir brennen. Wir verlassen den Saal.» Nach Angaben der Ermittler führte aber nur eine schmale Tür und dahinter eine enge Wendeltreppe ins Freie - für viele Gäste sei der Nachtclub deshalb zur Todesfalle geworden. «Der Qualm war so dicht, man konnte nicht mehr atmen», sagte Juri Tschernow.
In den Krankenhäusern der Millionenstadt rund 1400 Kilometer östlich von Moskau suchten Eltern am Samstag verzweifelt nach ihren Kindern, die am Vorabend in dem Lokal zu Gast waren. «Sein Mobiltelefon klingelt, aber er hebt nicht ab», sagte Jekaterina Jurjewa über ihren vermissten Sohn Dmitri. Laut Zivilschutzminister Sergej Schoigu werden mehr als 50 Verletzte künstlich beatmet. «Wir sind nicht überzeugt, dass alle Patienten überleben werden. Einige von ihnen haben 80 Prozent verbrannte Körperoberfläche.» Die Kliniken der Stadt riefen die Bevölkerung zu Blutspenden auf - und hätten weitere Leichensäcke bestellt, berichtete das Staatsfernsehen. «Das ist ein schrecklicher Schlag für Russland.»
Die Medien rätselten am Tag nach der Katastrophe auch, wie der Betreiber die Erlaubnis für den Nachtclub behalten konnte. Der Mann sei bereits zweimal wegen schwerer Verstöße aufgefallen, jedoch nur mit Bußgeldern bis zu umgerechnet 50 Euro bestraft worden, sagte Schoigu. In Diskussionsforen im Internet schrieben Teilnehmer von angeblich engen Beziehungen zur Lokalpolitik in Perm. Kremlchef Dmitri Medwedew kritisierte mit überraschender Offenheit, solche Lokalbesitzer hätten «weder Verstand noch Gewissen». Er forderte eine harte Bestrafung der Verantwortlichen. (dpa)
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