Die Klangtapete vom Designer

Ton in Ton: Wer etwas auf sich hält, passt jetzt den Musikgeschmack der Einrichtung an - und zwar mit Hilfe von Experten.
von  Abendzeitung

NEW YORK/BERLIN - Ton in Ton: Wer etwas auf sich hält, passt jetzt den Musikgeschmack der Einrichtung an - und zwar mit Hilfe von Experten.

Musik, das ist Leidenschaft. Musik ist Geschmackssache, ob Brahms oder die Beatles, das muss jeder selbst entscheiden.

Oder einen Musik-Stylisten mit dieser Aufgabe betrauen. „Bei dem fast unendlichen Angebot an Songtiteln kann es zu einer entmutigenden Aufgabe werden, den Überblick zu behalten“, stellt Jeffrey Reed auf der Homepage seiner Firma „Audio Sushi“ fest. Reed ist DJ in London – und Musik-Stylist. Von ihm kann man sich nach Beratung Playlists nach persönlichen Vorlieben zusammenstellen lassen. Oder, Trend im angelsächsischen Kulturraum: Nach der Einrichtung der Wohnung.

Glänzendes Parkett, Bauhaus-Sessel, stuckverzierte Decken. Aus den Lautsprechern dröhnt Death Metal. Ein Horrorszenario für Musik-Stylisten wie Jeffrey Reed. „Unsere Klienten sind Leute, die auf der ganzen Welt nach dem perfekten Türknauf, Löffel oder Ahornholz suchen lassen“, sagt Reed. Und wenn die Wohnung mit viel Liebesmüh’ oder von einem Innenarchitekten durchgestylt wurde, soll auch die Klangtapete das Bild nicht stören.

Fragebögen über den Tagesablauf, den Musikgeschmack und den Einrichtungsstil

Aber wie schafft man das? Schallplattenläden nach Perlen durchwühlen – viel zu aufwändig. Die New Yorkerin Jessica Goldberg beispielsweise holte sich professionelle Beratung für die Musikberieselung ihres Familienapartments. „Ich gehe doch nicht mehr in die Discos, wo ich neue Lieder hören würde“, sagt die zweifache Mutter. Stattdessen füllte sie Fragebögen über ihren Tagesablauf und ihren Musikgeschmack aus und beschrieb Stylisten den Look ihrer Wohnung am Telefon.

Von der zehnstündigen Musikauswahl war sie begeistert: „Toll, wie die unseren Musikgeschmack auf unsere Einrichtung abgestimmt haben.“ Zeitgemäßer Folk und Pop für eine moderne, in warmen Farben gehaltene Wohnung. Später ließ sie sich Songs liefern, die sie mit ihren Kindern beim Spielen im Wohnzimmer anhören kann – auf der Playlist finden sich etwa Stevie Wonder und Simon and Garfunkel.

Zwischen 50 und 250 US-Dollar liegt der Preis für eine Stunde Sound vom Musik-Stylisten. Auch US-Investor Joe Wagner war von der Idee überzeugt: Für sein Feriendomizil in Palm Beach ließ er sich Jazz Tracks zusammenstellen, für ein stilvolles Frühstück in seiner Residenz im Skigebiet Aspen suchten die Experten Opern-Arien aus.

Vielleicht kommt es auch hier bald aus der Mode, sich Lieder aus der Lust heraus anzuhören: Die Berliner Plattform mix-in.de designt Partys, bei der der Sound auf Speisen und Drinks abgestimmt ist. Mit „sinnlichem Genuß auf höchstem Niveau“ soll so gefeiert werden. Zu einem geeisten Süppchen passt etwa eine Elektro-Compilation.

Hoffentlich befindet man sich dabei in einem Raum mit passender gehobener Einrichtung. Und sitzt nicht etwa auf dem durchgesessenen Lieblingssofa vom Flohmarkt.

Laura Kaufmann

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