Die Killer-Keime aus der Klimaanlage

Ulm/München - 52 Menschen sind erkrankt, bereits drei gestorben. So massenhaft ist die gefürchtete Legionärskrankheit in Deutschland noch nie aufgtreten. Die Experten rätseln, woher die Erreger stammen
Experten sind alarmiert: Noch nie sind auf einen Schlag so viele Menschen an der gefürchteten Legionärskrankheit erkrankt: In Ulm und Neu-Ulm wurden bisher 52 Fälle registriert, drei der Infizierten sind gestorben. Und vor allem beunruhigt die Mediziner, dass bisher nicht festgestellt werden konnte, von wo die Killer-Keime stammen, ob sich die Legionellen genannten Bakterien weiter verbreiten und noch mehr Menschen sich anstecken.
Normalerweise befinden sich die Erreger, so Katharina Larisch vom Robert-Koch-Institut, in Duschen, Trinkwassersystemen, Klimaanlagen oder Luftbefeuchtern. Mehrere Erkrankungsfälle gleichzeitig treten daher meistens in Altenheimen, Hotels, Schwimmbäder oder Schulen auf. In Ulm ist dies viel mysteriöser. Nach Auskunft der dortigen Uni-Klinik kommen solche Infektionsherde nicht in Frage. Alle bisher Infizierten wohnen oder arbeiten zwar in Ulm, ansonsten gibt es aber keinen gemeinsamen Nenner. Mehrere Erkrankte hatten, laut einer Patientenbefragung, in der Zeit vor der Ansteckung nicht einmal ihre Wohnungen verlassen. Das Gros der Betroffenen ist älter als 60 Jahre. Auch Probenentnahmen beim Ulmer Trinkwasser brachten kein Ergebnis.
Bakterienverseuchte Dampfwolke
Ins Visier der Gesundheitsbehörden sind deshalb jetzt größere Einrichtungen im Stadtgebiet von Ulm geraten, die auf ihren Dächern oder Grundstücken Nasskühlsysteme oder Kühltürme installiert haben. Damit kommen alle Betriebe, Kaufhäuser oder Behörden mit Klimaanlagen in Frage, ebenso Industriefirmen mit Kühl- oder Trockenhallen.
Dort, so die Hypothese der Gesundheitsämter, könnte sich zum Jahresbeginn eine bakterienverseuchte Dampfwolke gebildet haben und dann vom Wind durch die Stadt getragen worden sein. Laut Doris Reick vom Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg, können derartige Wolken mehrere Kilometer weit durch die Luft ziehen, bevor sie sich auflösen. Reick betonte zudem, dass Legionellen auch bei Minustemperaturen über einen längeren Zeitraum überleben können.
„Die Bakterien brauchen zwar 25 bis 30 Grad, um sich zu vermehren, halten sich dann aber unter Umständen mehrere Tage in der Kälte“, sagt die Expertin. Ein mit Kameras bestückter Polizeihubschrauber hatte deshalb am Sonntag mehrere Stunden lang die Stadtgebiete von Ulm und Neu-Ulm überflogen und Aufnahmen von Nasskühlanlagen auf Dächern gemacht. Trotzdem könne gut sein, dass die Infektionsquelle nie ermittelt werde. Doris Reick: „Die Dampfwolke kann eine einmalige Erscheinung gewesen sein und die verursachende Anlage längst schon wieder gereinigt sein.“
Die Legionärskrankheit
Ihren Namen erhielt die Legionellose, als 1976 bei einem Treffen von Kriegsveteranen in einem Hotel in Philadelphia in den USA zahlreiche Teilnehmer erkrankten. Die Infektion beginnt meist mit Husten, Durchfall und Fieber. Später kann es zu schweren Lungen- und Rippenfellentzündungen kommen. Lebensgefährdet sind vor allem ältere Patienten oder Menschen mit Vorerkrankungen. Das Robert-Koch-Institut schätzt, dass in Deutschland jährlich 30 000 Menschen an der Legionärskrankheit erkranken. Bei richtiger und rechtzeitiger Diagnose ist die Legionellose gut behandelbar. Sonst kann sie – vor allem bei empfindlichen Menschen – in 20 Prozent der Fälle tödlich enden. Eine Übertragung der Legionellen von Mensch zu Mensch ist nicht möglich.
Für den Normalbürger besteht die größte Erkrankungsgefahr, so der Münchner Infektions-Mediziner Nikolas Frühwein , durch die heimische Dusche: „Viele Menschen stellen ihre Wasserversorgung aus Sparsamkeitsgründen auf eine niedrige Temperatur ein. Sie soll aber möglichst über 60 Grad Celsius liegen, da dann die Keime absterben.“ Die im Wasser vorhandenen Legionellen gefährden die Gesundheit nicht direkt – deswegen erfolgt die Infektion auch nicht über Trinkwasser. Sie entsteht erst, wenn die Erreger über zerstäubtes Wasser (Aerosol) beispielsweise beim Duschen, durch Klimaanlagen oder in Whirlpools ins Bronchialsystem übertragen werden. Auch Luftbefeuchter in Wohn- oder Arbeitsräumen und Inhalatoren in der Medizin können als Infektionsquellen in Frage kommen. Michael Heinrich
Die im Wasser vorhandenen Legionellen gefährden die Gesundheit nicht direkt – deswegen erfolgt die Infektion auch nicht über Trinkwasser. Sie entsteht erst, wenn die Erreger über zerstäubtes Wasser (Aerosol) beispielsweise beim Duschen, durch Klimaanlagen oder in Whirlpools ins Bronchialsystem übertragen werden. Auch Luftbefeuchter in Wohn- oder Arbeitsräumen und Inhalatoren in der Medizin können als Infektionsquellen in Frage kommen. Michael Heinrich