Die Beherrscherin der Herzen

... mit einer Ausnahme: Ihre eigenen Gefühle hatte Romy Schneider nie im Griff. Am Dienstag wäre Deutschlands Weltstar 70 geworden
von  Abendzeitung
Er war die Liebe ihres Lebens: Romy Schneider und Alain Delon in "Der Swimmingpool" (1968).
Er war die Liebe ihres Lebens: Romy Schneider und Alain Delon in "Der Swimmingpool" (1968). © Thomas Gaulke

... mit einer Ausnahme: Ihre eigenen Gefühle hatte Romy Schneider nie im Griff. Am Dienstag wäre Deutschlands Weltstar 70 geworden

Als Romy Schneider am 29. Mai 1982 tot aufgefunden wurde, ließ sie ihre Tochter Sarah Biasini (4) zurück, Lebensgefährten Laurent Pétin und Lebensliebe Alain Delon, Familie, Freunde. Was aus ihnen geworden ist, beantwortet Michael Jürgs, Autor des Bestsellers „Der Fall Romy Schneider“ (Ullstein), in seinem aktualisierten Buch-Vorwort. Hier Auszüge:

Genetisch geprägt vom Talent ihrer Mutter sowie dem mitunter auch vorhandenen ihrer Großmutter Magda oder dem betörenden ihres Großvaters Wolf Albach-Retty, der längst verstorben war, als Sarah am 21. Juli 1977 auf die Welt kam, hat sie vor ein paar Jahren die Hauptrolle in dem Mantel- und Degenfilm „Julie" gespielt. Da sie danach automatisch mit ihrer Mutter verglichen wird, deren Gesicht in dem ihren auftaucht, hält sich die Lust der mittlerweile 31-jährigen, in Rollen zu schlüpfen, von denen manche nach einem „Sissi“-Remake aussehen, in Grenzen. Für ihren Lebensunterhalt braucht sie die angebotenen Gagen eh nicht. Die von Treuhändlern ihrer Mutter angelegten Millionen reichen bis ans Lebensende.

Wie es dazu kam, ist eine komplizierte und zugleich einfache Geschichte: Harry Meyen war nach der Scheidung von Romy Schneider mit 1,2 Millionen Mark abgefunden worden. Er ließ die Summe für den gemeinsamen Sohn David in einem Depot wachsen. Nach seinem Selbstmord war sein Sohn alleiniger Erbe, womit seine Zukunft gesichert schien. Doch David hatte keine Zukunft. Im Sommer 1981 rutschte der damals 14-jährige beim Überklettern eines Zaunes ab, wurde aufgespießt, verblutete wenig später. Jetzt war seine Mutter Nutznießerin des einst von ihr überwiesenen Geldes, wovon sie allerdings nichts ihrem Noch-Ehemann Daniel Biasini erzählte. Von dem lebte sie bereits getrennt.

Liebhaber und Freunde - wer sie überlebt hat

Ihr deutscher Anwalt, legte mit einem Schweizer Kollegen alles in einem Fonds in Liechtenstein an, diesmal zugunsten von Sarah, die nach dem Willen von Romy Schneider an ihrem 26. Geburtstag darüber verfügen sollte. Beide Testamentsvollstrecker verschwiegen bis zur Übergabe, dass irgendwo Geld lagerte, um nicht bei Daniel Biasini Lust auf Mehrwert zu wecken.

Andere Menschen, die wesentlich waren für die Biografie Romy Schneiders haben den Star überlebt oder sind längst bei ihr, wo auch immer das sein mag: Alain Delon ist ein würdiger Altstar von 72. Laurent Pétin, hat spät geheiratet, ist Vater und ein erfolgreicher Filmproduzent („Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“). Ihr Bruder Wolf hat seine Arzt-Praxis aufgegeben, lebt in Frankreich.

Jean-Claude Brialy, der Romy Schneider stets auffing, wenn sie in Depressionen zu versinken drohte, ist 2007 gestorben. Tot auch ihre Mutter Magda Schneider, mit der sie eine zwiespältige Liebe verband, tot Claude Sautet, der in einem ihrer schönsten Filme - „Die Dinge des Lebens“ - Regie führte, tot ihre Freundin Simone Signoret...

Wann und warum sie sich verfluchte

Romy Schneider dagegen lebt. Denn das Bild, das sich Millionen von ihr machten, kann jederzeit aufgerufen werden. Bilder auf der Leinwand altern nicht, sind unzerstörbar und zeitlos, ewig jung.

Ihr wahres Leben war stets überschattet von Tragödien und Konflikten. Doch eine „Königin der Schmerzen“, wie sie der „Spiegel“ mal nannte, war sie nie. Eher eine Beherrscherin der Herzen. Ausnahme: Das Herz der Romy Schneider.

Mit dem kam sie nicht zurecht. Sie liebte viele Männer bis zum nächsten Morgen und es war ihr egal, wenn die sich anschließend nach ihr verzehrten. Ging es ihr umgekehrt ebenso, und es ging ihr oft so, verfluchte sie die und dann sich selbst und stellte resignierend pathetisch fest, ziemlich unlebbar zu sein für andere. Da sie eine öffentliche Person war, wurde alles über sie veröffentlicht, was nur irgendwie nach Wahrheit roch. Vieles stank nur. Wäre schon damals jede Verletzung des Persönlichkeitsrechts, jeder Eingriff in die Privatsphäre so bestraft worden wie es heute selbst C-Prominente vor deutschen Gerichten durchsetzen, wäre Romy Schneider nicht als verarmte Diva gestorben, sondern als eine reiche Frau. Nur durchs Kino konnte sie unsterblich werden. Das hat sie geschafft.

Michael Jürgs

"Kein Typ wie Biasini" - Interview mit dem Biografen des Stars

AZ: Herr Jürgs, Romy Schneider mit 70 – wie wäre sie?

MICHAEL JÜRGS: Eine würdige alte Dame mit einem jungen Gesicht und vielleicht einem Mann, der sie liebt und ihrem geliebten Vater gleicht. Auf keinen Fall wär’s ein Typ wie Oswalt Kolle oder Daniel Biasini.

Und beruflich?

In Frankreich ein Star wie Jeanne Moreau und in Deutschland auf der Bühne bei Peter Stein.

Am Ende, mit nur 43, fand sie sich nicht mehr schön und begehrenswert. Hätte sie es gepackt, alt zu werden?

Das ist für alle Schauspielerinnen ein Problem. Greta Garbo hat sich nicht mehr in der Öffentlichkeit gezeigt und dadurch ihren Mythos erhalten.

Romy auf Rückzug? Sie lebte ihre Rollen...

...und hätte sich in Filmen, in denen Alter keine Rolle spielt, ein neues Publikum erobert.

Als sie in Paris starb, schlief ihre kleine Tochter nebenan. Was für eine Mutter war sie?

Eine Mutter Courage, wie sie gern sagte, eine leidenschaftliche, liebende, aber nicht immer vorhandene Maman.

Sie haben das letzte große Interview mit ihr vor Ihrem Tod geführt. Wie war sie drauf?

Erdnahe und zerbrechlich. Wenn sie, ein melancholisch-heiterer Mensch, lachte, verzogen sich die grauen Wolken.

Welche Botschaft bleibt – für die Jungen, die sie nur aus ihren alten Filmen kennen?

„Steck deine Kindheit in die Tasche und renne davon, solange es noch geht.“ Der Spruch stammt von von Max Reinhardt, ihr Vater hat ihn ihr auf einen Zettel geschrieben, den sie stets bei sich trug.

Das heißt sinngemäß: Alles im Leben hat seinen Preis?

Ja, vor allem der Ruhm. Und dass man der Abrechnung nur entkommt, wenn man sich rechtzeitig aus dem Staub macht.

Interview: Renate Schramm

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.