Die Angst vor der Strahlung
Der Wind hat gedreht, in Tokio werden erhöhte Werte gemessen. Für Europa besteht aber keine akute Gefahr.
Tokio - Nach einer neuen Explosion am Atomkraftwerk Fukushima scheint eine innere Schutzhülle des Reaktors beschädigt zu sein. Was bedeutet das für Japan? Kommt die Radioaktivität auch zu uns? Die AZ klärt auf.
Wie ist die Lage in Japan? Rund um Fukushima ist die Strahlung angestiegen: Laut Regierungssprecher Yukio Edano wurden rund 400 Millisievert pro Stunde festgestellt – das übersteigt den Grenzwert für ein Jahr um das 400fache. Sorge machte auch das Wetter: Der Wind drehte gestern erst nach Süden – Richtung Tokio. In der Hauptstadt stieg die Strahlung, Cäsium und Jod wurden gemessen. Später drehte der Wind wieder Richtung Meer.
Könnte man Tokio evakuieren? „Das ist undenkbar”, sagt Gerold Reichenbach, Chef des Komitees Katastrophenvorsorge. Im Großraum Tokio leben 35 Millionen. Die wichtigste Frage wäre: Wohin mit all den Menschen? Reichenbach: „Wenn die Wolke tatsächlich über Tokio runterkommen sollte – dann fällt einem nichts mehr ein, man möchte es nicht zu Ende denken.”
Muss man Angst vor der Wolke haben? Mit dem eindeutig besetzten Begriff „Wolke” muss man vorsichtig sein: Eine Wolke wie in Tschernobyl wird es vermutlich nicht geben. Denn im AKW Fukushima wird – anders als in Tschernobyl – kein Graphit eingesetzt. Dieses Graphit hatte damals dafür gesorgt, dass der Reaktor tagelang brannte und seine radioaktiven Stoffe in extreme Höhen schleuderte. So hoch, dass diese in einer Wolke über Mitteleuropa wanderten. Zwar wird bei den Explosionen in Fukushima Radioaktivität frei – aber nicht so weit nach oben geschleudert.
Besteht Gefahr für Europa? Kaum. Denn: Cäsiumpartikel sind relativ schwer. Und das ebenfalls freigesetzte radioaktive Jod zerfällt schnell – es ist für die Japaner eine Gefahr, nicht für uns. Außerdem nimmt die Konzentration radioaktiver Stoffe in der Luft mit wachsender Entfernung ab. Je länger eine Wolke unterwegs wäre, desto mehr Partikel würden unterwegs zerfallen – also ihre Radioaktivität verlieren. Deshalb ist es auch unsinnig, sich hier mit Jod einzudecken (siehe unten).
Was ist mit Nahrung aus Japan? Nur wenig wird aus Japan importiert: Laut Fisch-Informationszentrum (FIZ) in Hamburg kommen nur 78 Tonnen Fisch pro Jahr aus Japan – bei einem Gesamtverbrauch von 1,1 Millionen Tonnen. Für Sushi wird meist Fisch aus Chile oder Norwegen verwendet. Das Bundesamt für Strahlenschutz sagt: Bei nach Europa eingeführten Lebensmitteln gelten auch bei Radioaktivität strenge Grenzwerte.
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