Diagnose Prostata: "Noch heute wird viel zu schnell operiert"
MÜNCHEN - Jedes Jahr erkranken rund 58.000 Männer in Deutschland neu an Prostatakrebs, rund 12.000 sterben daran. Rechtzeitig erkannt, ist die Krankheit heilbar. „Nicht jeder Tumor sollte operiert werden", sagt ein Experte im AZ-Gespräch.
„Auf keinen Fall sollten Ärzte und Patienten Prostatakrebs über einen Kamm scheren“, warnt der Münchner Urologie-Professor Albrecht Schilling: „Noch heute wird viel zu schnell operiert – zwei Drittel der Eingriffe bei niedrig-aggressiven Tumoren sind unnötig.“ Deshalb empfiehlt der langjährige Chefarzt des Klinikums Bogenhausen, der heute im Institut für Urologie im Isar Medizin Zentrum tätig ist, eine individuelle Therapie, bei der Vor- und Nachteile abgewogen werden: „Nicht jeder Tumor sollte operiert werden: Bei einem Drittel der Patienten gilt es abzuwarten und je nach Verlauf zu entscheiden. Es ist auch Unsinn, bei einem 85-Jährigen eine Biopsie (Gewebeuntersuchung) zu machen.“ Denn es gibt sehr langsam wachsende Tumore, mit denen man über 30 Jahre ohne gesundheitliche Probleme leben kann. „Diese rund 30 Prozent der Patienten sollte man als Arzt nur beobachten. Zum Beispiel kann ein 60-Jähriger mit einem lokalen Tumor noch 25 Jahre ohne Probleme weiterleben.“
Es gibt aber auch mittel- aggressive Tumore (50 Prozent) und sehr aggressive, schnell wachsende Karzinome, die unbehandelt in 2 bis 3 Jahren zum Tod führen.
Zur Vorsorge sollten alle Männer ab dem 45. Lebensjahr gehen bzw. ab 40, falls Vater, Großvater oder Bruder Prostatakrebs haben. „Neben dem Tastbefund kann die Bestimmung des PSA-Werts und ein transrektaler Ultraschall sinnvoll sein“, sagt Schilling: „Bei einem kritischem Anstieg des PSA-Werts in sehr kurzer Zeit ist eine Biopsie ratsam. Nur ein histologischer Befund gibt Auskunft über die Diagnose und den Tumor-Typ.“
Generell stecken Ärzte in einem Dilemma zwischen Über- und Unterversorgung ihrer Patienten. Dazu Schilling: „Natürlich bedeutet eine frühe Diagnose eine psychische Belastung, obwohl in der Hälfte der Fälle der Tumor keine Probleme macht. Aber nur so lässt sich eine gefährliche Entwicklung kontrollieren. Neue Studien belegen, dass eine altersgerechte PSA-Wert-Bestimmung die Sterblichkeit um bis zu 25 Prozent senkt.“
mb
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