Der Wetter-Wahnsinn
In Ostdeutschland und Polen stehen Häuser unter Wasser, in Russland kämpfen die Menschen gegen Flammen und Dauerhitze. Spielt das Wetter verrückt? Woran liegt es, dass wir dieses Jahr so viele Klimakatastrophen wie nie erleben? Was ein Klimaforscher sagt:
AZ: Herr Gerstengarbe, Flutkatastrophen in Ostdeutschland, Polen, Indien und Pakistan, gleichzeitig eine Hitzewelle in Russland. Täuscht der Eindruck, oder haben Extremwetterlagen zugenommen?
FRIEDRICH-WILHELM GERSTENGARBE: Der Eindruck täuscht nicht. Tatsächlich stellen wir fest, dass wir immer häufiger mit solchen Extremwetterlagen konfrontiert werden. Egal ob Flut, Gewitter oder Hitzewellen. Die Zunahme lässt sich klar belegen.
Woher kommt diese Zunahme?
Sie ist eine Konsequenz der globalen Erwärmung. Was das angeht, sind wir ja nicht am Anfang, sondern mittendrin. Sprich, die Temperatur ist global bereits um 0,8 Grad angestiegen.
Aber wie hängt die Erwärmung mit der jetzigen Flut in Ostdeutschland, Tschechien und Polen zusammen?
Ganz allgemein und vereinfacht kann man sagen: Durch die Erwärmung nimmt die Atmosphäre mehr Wasserdampf auf. Und dieses Wasser muss sich ja irgendwo wieder abregnen. Was das jetzige Hochwasser betrifft, das hat seine Ursache in einer besonderen Süd-West-Wetterlage: Ein Tief zieht aus dem Mittelmeerraum mit sehr viel Feuchtigkeit in Richtung Norden und regnet sich dort ab. Die Hochwasser 1997 an der Oder und 2002 an der Elbe waren ebenfalls Folge dieser Wetterlage.
Ist denn diese besondere Wetterlage auch eine Folge der Klimaerwärmung?
Ein klares Ja. Ursache hierfür ist, dass sich global gesehen aufgrund der Erwärmung die Wetterzirkulation verändert hat. Um 1950 traten solche Süd-West-Wetterlagen im Gegensatz zu heute kaum auf.
Zurück zum Extremwetter: Wie ist Ihre Prognose – werden in Zukunft derartige Extremwetterlagen weiter zunehmen?
Eine Prognose des Klimas gibt es leider nicht. Wir rechnen mit Szenarien. Aber wenn ich das heutige Szenario zugrunde lege, dann lautet die Antwort: Die Extreme werden weiter zunehmen, weil wir noch lange nicht die Spitze der globalen Klimaerwärmung erreicht haben.
Wann ist die Spitze erreicht?
Das wissen wir nicht. Sicher ist nur: Das Klima ist träge und reagiert erst innerhalb eines Zeitraums von 30 bis 40 Jahren. Die Folgen des jetzigen Ausstoßes an Umweltgiften werden wir also erst um 2050 erleben. Int: B. Oßberger
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