Der Turmbau zu Dubai

Das höchste Gebäude der Welt: Zukunfts-Zeiger oder Mahnmal des Größenwahns? Die Riesennadel auf dem Wüstensand sieht elegant aus, und sie wurde mit deutscher Technik erst möglich.
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Der imposante Burj-Tower wird am 4. Januar eröffnet
AP Der imposante Burj-Tower wird am 4. Januar eröffnet

Das höchste Gebäude der Welt: Zukunfts-Zeiger oder Mahnmal des Größenwahns? Die Riesennadel auf dem Wüstensand sieht elegant aus, und sie wurde mit deutscher Technik erst möglich.

Alles geht. Rekorde brechen, eine 800 Meter hohe Nadel in die Wüste stellen und auch noch architektonisch gut aussehen lassen. 230000 Kubikmeter Beton und 31000 Tonnen Stahl verbauen; dafür 3,07 Milliarden Dollar auszugeben, die man nicht hat: Alles kein Problem. Nicht in Dubai und nicht heutzutage. Nur eines geht nicht: Oben Fenster aufmachen. Das wäre die Katastrophe für das höchste Gebäude der Welt.

Heute, nach fünf Jahren Bauzeit, wird der Scheich das rote Band durchschneiden. Mohammed bin Raschid al-Maktum ist am Ziel, der 60-jährige Premier der Vereinigten Arabischem Emirate und Herrscher von Dubai eröffnet den silbern glänzenden Turm. Gerade noch rechtzeitig, bevor sein Übermorgenland auf der arabischen Halbinsel von der Finanzkrise in die Pleite gezwungen wird.

Die Gefahr besteht noch. Der Burj Dubai, zu deutsch schlicht „Dubai Turm“, könnte so nicht zum Zukunfts-Zeiger, sondern zum Mahnmal von Maßlosigkeit, Überheblichkeit und Größenwahn werden. Man kennt das ja. Seit dem Turmbau zu Babel haben solche Monumente ein Image-Problem – und für Terroristen sind sie eine ständige Provokation.

Aber davon wollen der Scheich und seine superreiche Kundschaft nichts wissen, die sich eines der bis zu drei Millionen Euro teuren Appartements leisten wird. Ebenso wenig wie vom „Kamineffekt“, der die ganze edle Inneneinrichtung sämtlicher 160 bewohnbarer Etagen vernichten würde, sollte jemand unten und an der Spitze gleichzeitig die Fenster öffnen. In über 800 Meter ist die Wüstenluft acht Grad kühler, der Sog würde im Innern einen Orkan auslösen. Nichts und niemand in den Nobelresidenzen, Luxus-Boutiquen oder Spitzenhotels würde dem standhalten.

Sie haben es richtig krachen lassen am Persischen Golf. Entworfen wurde der schlanke Koloss vom Amerikaner Adrian Smith. Bauherr ist die Projektfirma Emaar, die Bausumme brachte die Staatsfirma noch vor dem Crash auf: Emaar-Chef Mohammed al Abbar ist von Krisengerede unerschüttert: „Im Burj erblicken wir den Triumph von der Vision Dubais, das scheinbar Unmögliche zu schaffen und neue Grenzen zu setzen.“

Der dreigezweigte Grundriss in Form eines Ypsilon steht auf 850 Betonpfählen, die bis zu 55 Meter tief in den Wüstenboden gerammt sind. Der Turm darüber ist der „Form einer Schönlilie nachempfunden“, sagt der Architekt. Das ist mehr als ein poetisches Bild. Hochhausbauer müssen dem Ideal des Grashalms nahe kommen: Auf einer minimalen Grundfläche steht ein hohes Gebilde, das sich vom Wind nicht umhauen lässt. Die schmale Eleganz des Gebäudes folgt technischer Notwendigkeit. Und deutsche Technik spielt eine Hauptrolle dabei, dass die Supernadel mit ihren 57 Aufzügen überhaupt da steht.

Die Tiefbauarbeiten erledigte die Firma Bauer aus Schrobenhausen. BASF entwickelte eine Chemikalie, die den Beton verzögert aushärten lässt: Unabdingbar, musste man den Stoff doch 160 Stockwerke hoch pumpen. Dennoch wurde bei Tagestemperaturen von bis zu 50 Grad nur nachts betoniert, im Schnitt ein Stockwerk pro Woche. Bis zu 12000 Arbeiter aus 35 Ländern waren am Bau beschäftigt, rund um die Uhr. Die meisten stammten aus Indien und Pakistan, sie arbeiteten für einen Lohn von maximal 5,60 Euro – pro Tag.

Deutsche Firmen lieferten Parkettböden in Mengen, mit denen man Fußballfelder vertäfeln könnte. Sie lieferten 174000 Quadratmeter Sonnenschutzglas, 13000 Türen, 4000 Bidets und Toiletten, und Miele staubte mit 7650 Haushaltgeräten den größten Einzelauftrag seiner Geschichte ab. Dass Germanisches auch ästhetisch sein kann, bekam Rosenthal schriftlich. Edel-Designer Giorgio Armani kaufte den Porzellan-Herstellern für sein Hotel – es füllt die ersten acht Stockwerke – 15200 Teller und Tassen ab.

Die Reihe der Superlative setzt sich fort: Im 124. Stock die höchste Aussichtsplattform. An seltenen klaren Wüstentagen eine grandiose Aussicht. Auch die Beduinen auf der Halbinsel und die Matrosen auf den Supertankern im Persischen Golf können den Turm sehen – aus bis zu 100 Kilometer Entfernung.

In der Regel gelangt man mit einem Expresslift zu einer der „Sky Lobbies“ im 43., 76. oder 123. Stock, wo man in einen anderen Lift umsteigt, der einen in die gewünschte Etage bringt.

504 Meter legt der Hauptlasten-Aufzug zurück, auch das ist Weltrekord. Er rast mit einer Geschwindigkeit von neun Metern pro Sekunde durch seinen Schacht. Ein weiterer Lastenlift endet in einer Höhe von 636,9 Metern – der höchste Punkt der Welt, der von einem Lift erreicht wird. Das Gebäude beherbergt 1044 Appartements, 160 Zimmer und Suiten des Armani-Hotels und 3000 unterirdische Garagenplätze. Der Turm bietet Unterkunft und Wohnraum für eine deutsche Kleinstadt. 12000 Menschen können dort leben, arbeiten oder ihren Reichtum genießen.

Das Gebäude ist alles, nur nicht vernünftig. In der Sommerhitze verbraucht der Riese eine Energiemenge, mit der man stündlich 10000 Tonnen Eis kühlen könnte. Umweltgesichtspunkte spielen bei dem Turm eine untergeordnete Rolle, wenn überhaupt. Ab einer Höhe von 300 Metern kann ein Hochhaus auch unter den modernsten Gesichtspunkten nicht mehr energie-effizient sein.

In Dubai geht es wie immer in den letzten Jahren um die guten alten Rekorde. Und die stellt der Burj Dubai leicht ein. Der bisherige Rekordhalter, das „Taipeh 101“ in der taiwanesischen Hauptstadt, ist mit seinen 509 Metern ab heute nur noch ein weiterer Klotz in der Landschaft.

Während aber anderswo, im benachbarten Abu Dhabi beispielsweise, mit „intelligenten“, energieffizienten Häusern oder Stadtvierteln für die Zeit nach dem Öl geplant wird, träumt Dubai und sein Herrscher weiter – von einem noch größeren Haus. Doch der Nakheel-Tower, er sollte bis zu 1000 Meter hoch werden, ist nach dem internationalen Finanz-Crash und der Finanzprobleme Dubais auf Eis gelegt.

Der Burj wird auf absehbare Zeit seinen Rekord halten – wenn nicht jemand doch einmal die Fenster aufreißt.

Matthias Maus

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