Der Kampf ums Wasser

Schon heute haben weltweit 750 Millionen Menschen keinen Zugang mehr zu der kostbaren Ressource.
Hans Götzl |
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Die Wasserknappheit wird bis 2050 noch dramatischere Ausmaße annehmen.
Chaichan/epa, Chaimun/dpa Die Wasserknappheit wird bis 2050 noch dramatischere Ausmaße annehmen.

Wasser ist Leben. Und der Quell allen Lebens sind die Regentropfen, die auf die Erde prasseln, zum Teil im Boden versickern, durch Gesteinsschichten wandern und sich schließlich gereinigt im Grundwasser sammeln. In Bayern ist die Qualität so gut, dass ein Großteil davon sofort als Trinkwasser in die Haushalte weitergeleitet werden kann. Auch an Nachschub mangelt es nicht. In ganz Mitteleuropa sorgen regelmäßige Niederschläge dafür, dass die Grundwasserreservoirs stets wieder aufgefüllt werden.

In vielen anderen Regionen der Erde mit starkem Bevölkerungswachstum führt dagegen die zunehmende Verschmutzung und Verschwendung dieser kostbaren Ressource zu einer immer stärkeren Belastung, stehen in den Dürreregionen die Bewohner meist nur noch vor trockenen Brunnen. Der Verteilungskampf um das knapper werdende Trinkwasser, so Prof. Dr. Martin Grambow vom Bayerischen Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, habe daher schon längst begonnen.

 

Die Flüsse in den Städten sind vielfach nur noch Kloaken

 

Dabei gibt es Wasser in Hülle und Fülle. Rund 1,4 Milliarden Kubikkilometer befinden sich in den Weltmeeren, leider ungenießbar. Von den 2,5 Prozent Süßwasser wiederum sind mehr als zwei Drittel in Gletschern und an den schneebedeckten Polen gebunden, und der Rest liegt meist als Grundwasser tief unter der Erde. Gerade mal 0,008 Prozent der weltweiten Ressourcen kann der Mensch relativ leicht für sich nutzbar machen, vor allem aus Flüssen und Seen. In vielen Ländern übersteigt aber schon längst die Nachfrage das vorhandene Angebot.

„Der globale Bedarf wird bis zum Jahr 2050 voraussichtlich um 55 Prozent ansteigen, weil die Weltbevölkerung auf rund neun Milliarden wächst und weil immer mehr Menschen einen höheren Lebensstandard erreichen wollen. Mehr als 40 Prozent werden dann in Gebieten mit Wassermangel leben müssen. Schon heute haben weltweit rund 750 Millionen Erdenbürger keinen Zugang mehr zu sauberem Trinkwasser. Fast 2,5 Milliarden verfügen nicht einmal über einfache sanitäre Anlagen, was eine der Hauptursachen für Krankheiten ist, von denen die armen Bevölkerungsschichten besonders betroffen sind“, warnen die Unesco-Experten in ihrem aktuellen Weltwasserbericht 2015. Gerade der Mangel an Kläranlagen habe sich zu einem Problem von globaler Dimension entwickelt, denn vielerorts sei die Wasserkrise eine reine Abwasserkrise.

So seien die Flüsse, die die Großstädte durchfließen, vielfach nur noch fließende Kloaken, deren Wasser nicht einmal mehr zur Bewässerung von Feldern tauge, geschweige denn als Trinkwasser. Und in den Elendszonen rund um die wachsenden Megacitys der Welt verseuche bereits eine ungeklärte Brühe aus Fäkalien das Grundwasser.

Angesichts dieses schrecklichen Szenarios muss das Recht auf sauberes Wasser, das die Vereinten Nationen vor fünf Jahren in die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ aufgenommen haben, für Millionen wie ein Hohn klingen. Es ist ja nicht einmal völkerrechtlich verbindlich, geschweige denn einklagbar. Dass jedes Jahr rund zwei Millionen Menschen in den Entwicklungsländern an den Folgen unsauberen Wassers sterben, unter ihnen unzählige Kinder, wen kümmert es wirklich?

„Noch müssen sich die Menschen in den Industriestaaten keine Gedanken darüber machen, ob sie genug Wasser zum Trinken, Kochen oder Waschen haben. Doch am Ende wird es keinen Ort der Welt geben, der sich der Wasserkrise entziehen kann. Erst wenn Millionen Menschen auf der Suche nach Wasser flüchten, dann erst werden viele mitbekommen, dass etwas total aus dem Ruder gelaufen ist. Unruhen, Konflikte, ja sogar Kriege werden die Folge sein“, warnt die Trägerin des Alternativen Nobelpreises, Maude Barlow, in einem „ZEIT“-Interview.

In der Tat: Die Verschwendung des kostbaren Lebenselixiers nimmt ungebremst zu. Den größten Anteil daran hat dabei die global agierende Lebensmittelbranche. Rund 70 Prozent des weltweiten Verbrauchs entfallen auf die Bewässerung von Treibhäusern und gigantischen Anbau- und Weideflächen. Der „Wasserfußabdruck“, aus dem ablesbar ist, wie viel Wasser für die Herstellung eines bestimmten Produktes erforderlich ist, müsste die Konsumenten eigentlich nachdenklich stimmen. Allein ein Kilo argentinisches Rindfleisch verbraucht 15 415 Liter Wasser, ein Steak 5 000 Liter, ein Kilo Weizen 1 300 Liter und 125 Gramm Kaffee 140 Liter.

 

Die Industrie ist an der Verschwendung maßgeblich beteiligt

 

Die Zahlen sind schon deshalb so alarmierend, weil diese Produkte fast ausschließlich aus wasserarmen Regionen stammen. Das Paradoxe dabei ist, dass diese Lebensmittel vor allem in jene Länder exportiert werden, in denen es noch Wasser in Überfluss gibt, viele Herstellerländer dagegen bereits auf dem Trockenen sitzen.

Eine der katastrophalen Folgen ist am Aralsee zu besichtigen, wo für den Baumwollanbau in Kasachstan und Usbekistan seit Jahrzehnten die wichtigsten Zuflüsse angezapft werden. Mittlerweile ist der einst viertgrößte See der Erde zu einer riesigen, giftigen Kloake mit extrem hohem Salzgehalt geschrumpft, der als Trinkwasserquelle verloren ist. In Kenia wiederum gefährden riesige Schnittblumenplantagen die eigene Versorgung mit Wasser. „Was auf der Strecke bleibt, ist die Nachhaltigkeit“, so Roland Gramling von der Naturschutzorganisation WWF (World Wide Fund for Nature). Das Problem beschränke sich dabei nicht nur auf Asien oder Afrika. Auch Regionen in Spanien, Italien, der Türkei, Israel oder sogar Südfrankreich liefen dadurch Gefahr, ihren eigenen Trinkwasserhaushalt zu gefährden.

An der globalen Verschwendung von Trinkwasser ist aber auch die Industrie massiv beteiligt. Die riesigen Mengen, die sie verbraucht, fehlen der Landwirtschaft und den Menschen. Vor allem in Südostasien wird der Bau von Dämmen und Großanlagen zurzeit forciert. Wasser, das zur Stromerzeugung aufgestaut wird, müssen Tausende Bauern und Fischer entbehren.

Da wegen dieser Großprojekte die regelmäßigen Überschwemmungen ausbleiben, vertrocknen nicht nur die Böden, sondern auch deren Existenz. Und bis 2050 werde die Nachfrage nach Wasser in der industriellen Produktion sogar noch um 400 Prozent steigen, so die Prognose des Weltwasserberichts. Der Großteil dieses Anstiegs werde in den Schwellen- und Entwicklungsländern zu verzeichnen sein.

Als ob dies der Hiobsbotschaften für die Bevölkerung in den Entwicklungsländern noch nicht genug wäre, drängen immer mehr westliche Konzerne und Unternehmen auf den Wassermarkt, um aus dieser Notlage auch noch Geld zu scheffeln. Sie kaufen ganze Landstriche und Wasserrechte auf und sichern sich die noch sauberen Quellen mit dem „blauen Gold“.

Allen voran der Schweizer Nestlé-Konzern, der den globalen Handel mit abgepacktem Trinkwasser dominiert. Während der größte Lebensmittelhersteller in den USA und in Europa vor allem Quellwasser mit Herkunftsbezeichnung verkauft, hat er für die Schwellen- und Entwicklungsländer ein anderes Konzept: Dort gibt es „Nestlé Pure Life“, ein gereinigtes Grundwasser, angereichert mit einem Mineralienmix nach Art des Hauses.

In ihrem Film „Bottled Life“ haben die Schweizer Filmemacher Urs Schnell und Res Gehringer das scheinbar so saubere Geschäft des Multi-Konzerns durchleuchtet, wobei sie im US-Bundesstaat Maine, in Pakistan und Nigeria recherchierten.

 

Wird die Wassernot künftig zu Konflikten und Kriegen führen?

 

Da in Maine aufgrund des antiquierten Grundbesitzrechts der Landeigentümer so viel Wasser fördern darf, wie er will, kaufte oder pachtete Nestlé ein paar Äcker und bohrte einen Brunnen nach dem anderen. Gehringer: „Die Anwohner mussten dagegen ohnmächtig zusehen, wie ihr Grundwasser immer knapper wurde, während sich die Schweizer mit einheimischem Leitungswasser die Hähne vergoldeten.“ In Pakistan zeigt der Film, wie in einem Dorf die Menschen unter schlechter Trinkwasserqualität leiden, während in der Fabrik gleich nebenan Nestlé mittels Tiefbrunnen frisches Quellwasser schöpft, das sich die Dorfbewohner nicht leisten können. Regisseur Urs Schnell: „Ihnen bleibt nur die Wahl, entweder kilometerweit zu den noch verbliebenen öffentlichen Quellen zu laufen oder das schmutzige Wasser vor Ort zu trinken.“

Zwar hat der Dokumentarfilm viele Menschen über die rein profitorientierten Machenschaften des Konzerns erbost und sie für den Rohstoff Wasser sensibilisiert, aber es bleibt dennoch die entscheidende Frage, wie in Zukunft das Grundrecht auf Zugang zu sauberem Wasser noch gewährleistet werden kann. Wird, wenn der Klimawandel das Problem der Wasserknappheit noch verschärft, es nicht doch noch zu schweren Konflikten, ja sogar zu Kriegen zwischen souveränen Staaten kommen?

Mittlerweile regeln zwar weltweit rund 3600 Abkommen die friedliche Nutzung des Wassers grenzüberschreitender Flüsse, was vielfach zu einer verstärkten Kooperation der Anrainerstaaten führte. Aber gewaltsam ausgetragene Konflikte um knappe Wasserressourcen gab es schon häufig zwischen Nomaden und sesshaften Bauern, zwischen ethnischen Gruppen, Landwirtschaft und Industrie sowie zwischen Stadt- und Landbevölkerung in der Dritten Welt.

 

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