Der Internet-Tüv für Ärzte: Was taugt Ihr Mediziner?

Die AOK will einen Internet-Pranger für Ärzte im Internet einrichten. Ähnliche Portale gibt es bereits. Patienten können dort über lange Wartezeiten, miese Stimmung und Dreck in der Praxis berichten. Die AZ hat die Portale getestet.
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MÜNCHEN - Die AOK will einen Internet-Pranger für Ärzte im Internet einrichten. Ähnliche Portale gibt es bereits. Patienten können dort über lange Wartezeiten, miese Stimmung und Dreck in der Praxis berichten. Die AZ hat die Portale getestet.

Dieser Arzt könnte sich künftig schwer tun, Patienten zu gewinnen: „Fremdpersonen platzen in den Behandlungsraum, die Mitarbeiter schreien einander an, Dreck überall, überlange Wartezeiten“ – so beschreibt ein Patient unter „www.topmedic.de“ die Erfahrungen mit seinem Doktor. Mit dabei: die Adresse des Mediziners – und die Einladung an andere Nutzer, ihre Erfahrungen mit der Praxis zu schildern.

Ärztebewertung im Internet: oft subjektiv, nicht immer fair. Trotzdem will die AOK ab dem kommenden Jahr mit einem eigenen Portal im Internet, dem „AOK-Arzt-Navigator“, Leistung und Service der rund 185000 niedergelassenen Mediziner und Zahnärzte von ihren Mitgliedern bewerten lassen. Auch andere Kassen zeigen Interesse am Ärzte-Tüv – zum Entsetzen der Mediziner (siehe unten).

Viele Portale sind von durchwachsener Qualität

Für Patienten dürfte das geplante Portal allemal einen Mausklick wert sein. Schon jetzt gibt es eine Fülle von Internet-Ärzte-Checks, allerdings von durchwachsener Qualität. Die AZ zeigt, was die Portale taugen.

www.healthpool.de: „healthpool.de bringt frischen Wind ins deutsche Gesundheitswesen“, hieß es bei der Gründung Ende 2007. Mittlerweile ist es um das Portal aus dem Umkreis der Securvita-Krankenkasse aber ruhig geworden. Bewertungen können nicht eingesehen oder abgegeben werden. Die Testphase werde noch ausgewertet, informiert die Internetseite.

www.docinsider.de: etwas umständliche Suchfunktion, teilweise detaillierte Bewertungen, sehr viele Einträge ohne jede Bewertung.

www.jameda.de: Auch dieses Portal (Focus-Gruppe) signalisiert mit dem Zitat eines Patienteneintrags auf der Eingangsseite forsche Unabhängigkeit: „Dieser Mensch ist kein Arzt, sondern ein Mediziner alten Schlages, der typische ,Weißkittel’!“ Ziemlich viele Arztpraxen weisen allerdings nur einen einzigen Eintrag auf, der dem Mediziner die Note „1“ verpasst – riecht nach verkappter Werbung.

www.helpster.de: Hier berichtet ein enttäuschter Patient über einen Arzt, der einen Schlaganfall übersah – offenbar, weil er den Mann für einen Hypochonder hielt. „Zum Schluß fragte er mich, ob ich ein wenig empfindlich sei und ich solle mich ein wenig zusammennehmen.“ Das Münchner Unternehmen, das hinter Helpster steckt, gehört zum Teil der Holtzbrinck-Gruppe. Die Eingangsseite ziert eine Werbung für ein Gewinnspiel, das bis zum 30. April lief. Unter Nutzern, die drei Bewertungen abgaben, wurde ein iPod verlost. Der Anreiz scheint nötig zu sein: Wer etwa unter der Rubrik „Allgemeinmedizin“ in München sucht, bekommt größtenteils Praxen angezeigt, für die keine Bewertungen vorliegen.

www.topmedic.de: brauchbare Suchfunktion, die nach bewerteten Praxen und solchen ohne Beurteilung unterscheidet. Die Bewertungen sind auf einen Blick anhand eines Pfeils erkennbar, der von Rot (ziemlich mies) über Gelb nach Grün wandert. Die Qualität der Einträge ist durchwachsen: Manche erscheinen authentisch, bei anderen fehlt jegliche Begründung – oder sie wirken wie vorgefertigte Texte von der Festplatte des (Praxis-)Computers: „Sehr angenehme und kompetente Praxis, in der ich mich als Patient sehr gut aufgehoben fühle!“

Experte glaube, dass die Bedeutung der Portale zunehmen wird

Martin Emmert vom Lehrstuhl für Gesundheitsmanagement an der Uni Erlangen-Nürnberg lässt an den bisherigen Patienten-Portalen kein gutes Haar. In einer Studie untersuchten seine Wissenschaftler eine Reihe von Angeboten. Das Ergebnis: Keine der Internetseiten könne „derzeit höheren Ansprüchen genügen“, resümmiert Emmert. Trotzdem glaubt der Forscher, dass „die Bedeutung der Portale in Zukunft noch weiter zunehmen wird“.

Und ihre Qualität? Immerhin: Das geplante AOK-Portal soll besser sein als die bisherigen Angebote. Manipulationen – also etwa anonyme Eigenbeurteilungen von Ärzten – will die AOK verhindern. Und Bewertungen sollen nur dann veröffentlicht werden, wenn genügend Bewertungen vorliegen. „Bei einer Praxis mit 1000 Patientenkontakten im Monat sind das beispielswese 50 Beurteilungen“, sagte ein AOK-Manager der „Süddeutschen Zeitung“.

Susanne Stephan

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