Der Bus kommt

Im kommenden Jahr dürfen Busse der Bahn auf innerdeutschen Städte-Verbindungen Konkurrenz machen – die AZ hat das Angebot von München aus unter die Lupe genommen
Berrit Gräber |
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München Kostenlose Zeitung oder W-Lan, Getränk für 1,50 Euro, bequeme Sitze, eine saubere Toilette und das zum günstigen Preis: Ab 2013 machen neue Fernbuslinien quer durchs Land der Bahn Konkurrenz. Ähnlich wie mit den legendären „Greyhound“- Bussen in Amerika sollen Reisende künftig auch in Deutschland täglich per Linienbus preiswert in andere Städte fahren können, etwa nach Köln, Berlin oder Leipzig. Das war wegen eines 80 Jahre alten Gesetzes zum Schutz der Bahn bisher verboten. Ab Neujahr ist Schluss damit, drei Anbieter tüfteln bereits am Streckennetz.

München soll mit seinem Zentralen Omnibus-Bahnhof (ZOB) zu einer wichtigen Drehscheibe werden. Ein dichtes Fernbus-System wird es allerdings frühestens in drei Jahren geben, erwarten Experten. Doch schon jetzt sind die ersten deutschen „Greyhounds“ am Start. Die AZ hat nachgeschaut, ob sich der Fernbus ab München lohnt. Welche Angebote gibt es? Bisher bieten erst zwei Firmen regelmäßige Fernbusverbindungen ab der Hackerbrücke an: DeinBus.de. schickt mehrmals täglich Reisebusse non-stop nach Stuttgart, Tübingen und Frankfurt. Die Route über Regensburg und Pilsen bis nach Prag ist an sechs Tagen pro Woche im Angebot. Der Konkurrent MeinFernbus.de hat zwei Süd-Strecken ab München im täglichen Angebot:

Streckennetz wird ausgebaut

Einmal über Konstanz nach Zürich und über Friedrichshafen, Titisee im Schwarzwald nach Freiburg. Was kommt ab 2013? Sowohl DeinBus.de wie auch MeinFernbus.de wollen ab nächstem Jahr Verbindungen ab München in viele weitere Großstädte bundesweit anbieten. „Wir wollen rasch jede größere Stadt anfahren", betont Ingo Mayr-Knoch, Mitbegründer von DeinBus.de. Detaillierte Streckenpläne sind noch unter Verschluss. Ab Januar 2013 will ein dritter Mitbewerber, die Deutsche Touring/Eurolines, ihre 700 grenzüberschreitenden Strecken auch für Inlandsreisende öffnen.

Dann können Passagiere auch nur landesweite Teilstrecken buchen und beispielsweise auf der Route Hamburg-Neapel in Würzburg zusteigen und bis München mitfahren oder umgekehrt. Wie sind die Preise? Bei rechtzeitiger Buchung wird der Fernbus zum echten Schnäppchen. Da kommt die Bahn häufig nicht mit, das eigene Auto oder der Flieger sind allemal teurer. Wie beim Zug oder im Flieger gibt es Sonderkontingente zum Super-Sparpreis: Bei DeinBus.de kosten die billigsten Fahrscheine 9 Euro auf allen Strecken, bei MeinFernbus.de circa 11 Euro (abhängig von der Route). Je näher die Abfahrt rückt, desto teurer wird es.

Was wird geboten?

Ein Beispiel: Wer mit Dein Bus.de nach Stuttgart oder Tübingen will und schon zwei Wochen vorher online reserviert, wird mit dem Bestpreis von 9 Euro belohnt. Tage später werden 19 Euro fällig, kurz vor Abfahrt 21 Euro, zahlbar beim Fahrer. Auf der Frankfurt-Route reicht die Spanne von 9 bis 39 Euro. Zum Vergleich: Sparpreise der Bahn rangieren von 29 bis 79 Euro, sind aber Mangelware auf gefragten Strecken. Das Normalticket nach Frankfurt kostet 95 Euro. MeinFernbus.de verlangt für die Fahrt nach Konstanz 11 bis 29,50 Euro Was wird geboten?

Viel Beinfreiheit und Toiletten an Bord

Beide Anbieter versprechen Reisekomfort und Beinfreiheit. „Auch große Menschen bis 1,90 Meter können noch bequem sitzen“, betont Gregor Hintz, Sprecher von MeinFernBus. Sein Unternehmen punktet mit W-Lan, das in allen grünen Reisebussen kostenlos zur Verfügung steht. DeinBus.de bietet Gratis-Lesestoff wie Tageszeitungen und Leih-Bücher. Getränke werden ab 1,50 Euro offeriert. Toiletten sind an Bord. Wer Koffer dabei hat, muss sie nicht allein ins Gepäckfach wuchten. Der Fahrer verstaut sie im „Bauch“ des Busses.

Im Gegensatz zu Billigfluglinien fallen dabei keine Extrakosten fürs einfache Gepäck an. Ein Handgepäck und ein Koffer sind bei DeinBus.de frei, der zweite Koffer kostet neun Euro Aufpreis. MeinFernbus.de verlangt ab dem dritten Gepäckstück fünf Euro. Auch das Fahrrad kann für jeweils 9 Euro mit auf Tour. „Wir haben schon Sperrgut für 9 Euro mitgenommen wie einen Kühlschrank, allerdings nur nach Voranmeldung", sagt Mayr-Knoch. Wie steht's mit Pünktlichkeit? Fernbusse sind häufig die günstigere Alternative zu Auto, Bus und Flugzeug – brauchen aber auch meist länger bis sie am Ziel sind. Beispiel: Vom ZOB in München bis zum Busbahnhof Frankfurt am Hauptbahnhof dauert es mit dem Auto knapp vier Stunden. Der ICE braucht 3:14 Stunden (ohne Umsteigen).

Die Fahrzeit per Fernbus non-stopp ist mit 5:25 Stunden kalkuliert. Starten die Linien morgens im dichten Berufsverkehr, kann es aber auch länger dauern. Staus auf der Autobahn können die Ankunft noch weiter verzögern. Wer mitfährt, sollte es also nicht eilig haben oder auf Pünktlichkeit bestehen. Wer profitiert? Wer günstig deutschlandweit verreisen will und genügend Zeit mitbringt, ist im Bus gut aufgehoben. Hauptzielgruppe sind junge Leute, Studenten und Senioren, wie Mayr-Knoch sagt. Ähnlich wie beim Rotkäppchen-Service der Lufthansa könnten allein reisende Kinder ab sechs Jahren im Bus zum Erwachsenentarif „mitgeschickt“ werden. Für Kinder bis 15 bietet MeinFernbus.de Sonderpreise an. Bis 24 Stunden vor Abfahrt lassen sich Online-Tickets stornieren.


„Darauf warten wir seit drei Jahren“. Christian Rettenbacher von den Rot-Kreuz-Betrieben (RKB), die den ZOB betreiben, freut sich auf die Fernbusse, die ab 2013 in der Arnulfstraße ankommen und abfahren werden. Seit September 2009 ist der Zentrale Omnibusbahnhof geöffnet. Nur schleppend lief der Betrieb an, anfänglich waren es nur 30 bis 40 Busse am Tag.

Momentan verkehren und parken rund 100 Busse an der Hackerbrücke. Dennoch gibt es „Saure-Gurken“-Zeiten, dann stehen nur ein paar Fahrzeuge auf dem riesigen Parkplatz. „Wir haben noch Kapazitäten“, so Rettenbacher zur AZ. Bis Mitte 2013 rechnet er mit bis zu 130 Bussen täglich. Nicht nur für diesen Ansturm wird aufgerüstet: Derzeit werden noch zwei weitere Haltestellen zu den 17 bestehenden gebaut. Zwölf weitere Parkplätze sind für Touristenbusse, die länger parken, vorgesehen.

Dass die Fernbusse, die Konkurrenz zu Bahn, Pkw und Flugzeug auch angenommen werden, merkt Rettenbacher bereits. Unternehmen wie MeinFernBus haben am ZOB schon mehrere Abfahrten am Tag. „Besonders junges Publikum, aber auch Geschäftsleute nutzen die Fernbusse“, so Rettenbacher. Er ist sich sicher: „Der Bus wird eine Renaissance erleben.“


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