Der Biesel-Prozess

Eine Frau aus Trier muss während einer Zugfahrt auf die Toilette. Doch die ist kaputt. Die Bahn will ihr keine Entschädigung zahlen.
Trier - Stellen Sie sich vor: Sie sitzen im Zug, gut zwei Stunden Fahrt liegen vor Ihnen. Sie haben aber auf dem Bahnsteig noch einen Kaffee getrunken oder vielleicht auch eine kleine Flasche Wasser.
Die unausweichliche Folge: Sie müssen aufs Klo. Erst zögern Sie noch. „Halte ich es noch bis zum Zielbahnhof aus?“, geht es Ihnen durch den Kopf. Schnell wird Ihnen klar: Nein. Also hetzen Sie durch die Abteilungen. Endlich ist das WC in Sichtweite. Das Problem: Es hängt ein Schild an der Tür: Defekt. Und es gibt nur dieses eine Zug-Klo.
Genau so ist es einer Frau aus Trier auf dem Weg von Koblenz in ihren Heimatort ergangen. Sie musste ganz dringend auf die Toilette. In dem Regionalzug gab es aber nur ein einziges WC und das war kaputt. Zwei Stunden lang musste sie ihren Harndrang unterdrücken. Für sie ein Martyrium. Nach der Ankunft sei „alles in die Hose gegangen“. Die Frau zog gegen die Deutsche Bahn vor Gericht. Sie forderte für das Toiletten-Drama 400 Euro Schmerzensgeld. Im Juli 2015 entschieden die Richter am Amtsgericht Trier: Die Deutsche Bahn Regio AG muss der Frau 200 Euro zahlen.
Ein Recht aufs Klo? Die Bahn fürchtet einen Präzedenzfall
Das Unternehmen habe sich einer doppelten Pflichtverletzung schuldig gemacht. Zum einen, weil es im Zug keine funktionierende Toilette gegeben habe, und zum zweiten, weil nicht dafür gesorgt wurde, dass die Fahrgäste eine zumutbare Alternative bekamen, so das Gericht damals.
Davon will die Bahn nichts wissen. Sie will keine Entschädigung an die Frau bezahlen und hat nun Berufung eingelegt. Seit Freitag müssen die Richter erneut entscheiden. Die Frage ist, ob es einen Rechtsanspruch darauf gibt, dass es im Nahverkehr eine Toilette gibt.
Im Berufungsverfahren sieht es nun nicht gut aus für die Kundin der Bahn. „Ich habe da Probleme“, sagte der Vorsitzende Richter am Freitag. Denn möglicherweise hätte die Frau aus Trier „ihr Dilemma“ verhindern können, wenn sie bei einem der zahlreichen Stopps entlang der Moselstrecke ausgestiegen wäre, um dort auf die Toilette zu gehen.
Das Urteil im Berufungsprozess ist für den 19. Februar angekündigt. Für die Bahn ist die Entscheidung in der Causa Bahntoilette wichtig.
Nach Ansicht des Fahrgastverbandes Pro Bahn will die Bahn in dem Fall nicht zahlen, „weil sie ihn als Präzedenzfall sieht“, sagt Verbandssprecher Karl-Peter Naumann. Es gebe wohl keinen Rechtsanspruch auf eine funktionierende Toilette in Nahverkehrszügen, aber dennoch so etwas wie ein Gewohnheitsrecht: „Wir sind es gewohnt, dass wir da auf die Toilette gehen können“, sagt Naumann. Die Versorgung mit Toiletten sei gerade in einer Gesellschaft mit immer mehr älteren Menschen wichtig, so Naumann weiter. Denn diese müssten oft häufiger aufs Klo.
Die Bahn hat nicht zum ersten Mal Probleme wegen ihrer Zug-Toiletten. Vor rund zwei Jahren musste in der Rhein-Ruhr-Region ein Mann dringend aufs Klo. Da reichte ihm der Zugschaffner einen Abfallbehälter als Klo-Ersatz. Und bei einem „pannenbehafteten“ Neigetechnik-Zug habe man vor etlichen Jahren zwischen Trier und Köln sogar regelmäßig in der Eifel-Stadt Gerolstein „eine Pinkelpause“ eingelegt, erzählt der Sprecher von Pro Bahn.