Das Urteil: Lebenslang für Josef F.

Die acht Geschworenen haben gesprochen: Sie haben Josef F., den Horrorvater von Amstetten einstimmig des Mordes für schuldig erkannt. Das Gericht hat den 73-Jährigen zu einer lebenslangen Haft verurteilt. In seinem Schlusswort hatte F. zuvor gesagt: "Ich bereue aus ganzem Herzen".
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Lebenslang für Josef F.
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ST. PÖLTEN - Die acht Geschworenen haben gesprochen: Sie haben Josef F., den Horrorvater von Amstetten einstimmig des Mordes für schuldig erkannt. Das Gericht hat den 73-Jährigen zu einer lebenslangen Haft verurteilt. In seinem Schlusswort hatte F. zuvor gesagt: "Ich bereue aus ganzem Herzen".

Ein langes bedächtiges Nicken. Ein klares deutliches Ja. Und noch einmal ein Nicken. Dann findet die schreckliche Geschichte um das Jahrhundertverbrechen des grauhaarigen Mannes ein Ende. Zumindest juristisch: „Ja“, sagt Josef F. Ja, er habe das Urteil verstanden. Und ja, er nehme es an. Nein, Rechtsmittel wird es keine geben. Der 73-jährige Horror-Vater von Amstetten, der Mann, der die ganze Welt schockiert hat, bekommt lebenslang. Den Rest seines Lebens wird er in einer Anstalt für abnorme Rechtsbrecher verbringen.

Schuldig des Mordes durch Unterlassen, schuldig der massenhaften Vergewaltigung, der Freiheitsentziehung, der Blutschande und der Nötigung: Bedächtig, fast atemlos verkündet die Sprecherin der Geschworenen im Landesgericht St. Pölten ihr Urteil. Sie sind sich in allen Punkten einig. Die Vorsitzende Richterin Andrea Humer ergänzt: „Er war besonders heimtückisch.“ Das kann man wohl sagen.

Als würde er wegdösen

Keinen Aktenordner hat Josef F. diesmal vor dem Gesicht. Dafür sorgen zehn Beamte von der „Justizwache“ für einen Sicht-Kordon um ihn. Erneut kommt er mit passender Krawatte zum blauen Hemd und grauen Anzug. Über dem gestylten Outfit stiert ein grimmiges, bewegungsloses Gesicht. Manchmal während der Verhandlung wirkt der 73-Jährige, der so viel Leid über seine Opfer gebracht hat, bei der Schilderung seiner Taten wie abwesend. Als würde er wegdösen.

Gebetsmühlenartig leise, fast nuschelnd liest Richterin Humer die Vorwürfe vor. 3000-fache Vergewaltigung, sexuelle Folter mit nicht zitierfähigen Details beschreibt sie. „Stundenlang“ habe das Martyrium gedauert, das „unter den Augen der Kinder“ stattfand. Josef F. reibt die Daumen aneinander. „Wenn du das nicht tust, dann wird alles nur noch schlimmer“, so hat er seine Tochter gefügig gemacht: „Dann geht die Tür zu, und dann kannst du schauen, wie du mit deinen Kindern zurechtkommst.“ Und natürlich der Mordvorwurf, auf den es der Staatsanwältin Christiane Burkheiser besonders ankommt. Zwar hatte F. mit seinem Geständnis den Vorwurf zugegeben, aber nur scheinbar, meinte die kämpferische Anklägerin.

„Das war kein Geständnis!“ sagt sie, „das war eine vorgetäuschte Schwäche“. Der Angeklagte sei noch immer der alte „Manipulator“, der alles geplant, alles kontrolliert habe. Fast beschwörend sagt sie zu den Geschworenen: „Lassen Sie sich nicht täuschen“, und, etwas vermessen: „Tappen Sie nicht in die Falle wie die Tochter vor 25 Jahren.“ Damals, an jenem 30. August 1984, hatte er seine Tochter gebeten, ihm im Keller zu helfen. Es war der Beginn des 24-jährigen Alptraums.

Indiz gegen den Mordvorwurf

Ausführlich schildert die Anklägerin das kurze Leben des kleinen Michael im April 1996. Die Tochter bringt ihn im Verlies allein zur Welt, wie ihre anderen fünf Kinder auch. Es ist besonders schwer diesmal, es sind Zwillinge. Dem anderen Baby geht es gut, aber Michael läuft blau an. „Der Todeskampf dauerte 66 Stunden, und der war zu sehen und zu hören“, sagt die Staatsanwältin. Der Vater und zugleich Großvater schaute alle paar Stunden vorbei und sagte: „Es kommt, wie's kommt.“ Jeder Laie, ruft die Anklägerin, habe sehen können, dass das Kind Hilfe brauche. „Der Vater hat 66 Stunden Zeit gehabt zu entscheiden, ob er seinen Sohn Michael rettet.“ Die Staatsanwältin fordert die Höchststrafe.

In so einem Prozess ist es schwer, als Verteidiger zu glänzen, aber Rudolf Mayer verspielt weltweit den Ruf, den er in Österreich hat. Der angebliche Staranwalt bemüht die Tagebuchaufzeichnungen der Tochter, um die Stichhaltigkeit ihrer Aussage zu bezweifeln. Und er sieht die Tatsache, dass man dem Kind einen Namen gegeben habe, als Indiz gegen den Mordvorwurf. Ansonsten gefällt er sich in selbstmitleidigen Schilderungen der Droh-Mails, die er seit Übernahme des Mandats erhalten habe. Der Auftritt sorgt für vielfaches Kopfschütteln.

Die ganze Aufmerksamkeit hat dafür Eva Plaz, die als Opferanwältin die Tochter vertritt. Sie flüstert nur, dabei hätten ihre Worte eine kräftige Stimme verdient: „Meine Mandantin hätte nicht aussagen müssen“ sagt sie. Sie hat es trotzdem getan, elf Stunden auf Video, jedes Detail hat sie geschildert. Es waren diese Stunden, die F. zu seinem überraschenden Geständnis bewegten. Warum hat sie ausgesagt? „Sie schuldet es dem toten Kind“, sagt die Anwältin. Es ist ein berührender Moment. Aus all dem Leid, die die Tochter durchmachte, ragt der eine Schmerz besonders heraus: der Verlust eines Kindes. „Ich habe kein Geständnis gehört“, sagt die Anwältin, „schon gar kein reumütiges.“ Und mit Blick auf den Verteidiger: „Josef F. hat exakt die richtigen Formulierungen gewählt in seinem Geständnis, um den Mordvorwurf zu entkräften.“ Anwalt Mayer schaut da besonders unschuldig. „Glauben Sie ihm kein Wort“, sagt die Anwältin der Tochter in Richtung Josef F. „Er versucht die Leute zu lenken, wie er sie immer gelenkt hat.“

Mit schlurfendem Gang schreitet der Mann, der es zum weltbekannten „Monster“ gebracht hat, zu seinem Schlusswort. Auch er spricht leise, kaum hörbar: „Ich bereue es aus ganzem Herzen, was ich meiner Familie angetan habe. Ich kann es leider nicht mehr gutmachen. Ich kann nur schauen, den Schaden nach Möglichkeit zu begrenzen.“ Als könne er immer noch etwas planen, beherrschen, kontrollieren.

Matthias Maus

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