Das neue Leben der Kumpel

Am 5. August 2010 stürzte die Kupfermine San José ein. Für 33 Kumpel begann ein Kampf ums Überleben. Nach 69 Tagen wurden sie geretten Wie geht es ihnen heute?
SANTIAGO DE CHILE Ein Moment der ruhigen Andacht soll es sein, wenn die Helden der Grubenkatastrophe von Chile am Freitag zu einem Gottesdienst in Copiapo nahe dem Unglücksort zusammenkommen. Genau ein Jahr ist es her, seit in der Mine San José 33 Kumpel in fast 700 Metern Tiefe verschüttet wurden. Kaum einer glaubte, die Männer jemals lebend wieder zu sehen.
Wochenlang harrten Rettungskräfte und Familien am Unglücksort aus. Nach 69 Tagen brachte eine Rettungskapsel endlich den erhofften Erfolg: Alle Bergleute wurden unversehrt an Tageslicht geholt. Für sie und ihre Angehörigen war danach nichts mehr wie vorher.
Es sah zunächst tatsächlich so aus, als wollten die „Mineros“ nach ihrer Rettung vieles in ihrem Leben nachholen. Einige heirateten, traten in internationalen TV-Shows auf oder beteten gemeinsam mit Barack Obama. Als der US-Sender CNN eine Dokumentation über Helden drehte, traten sogar alle 33 Kumpel gemeinsam darin auf. Einige, wie Dario Segovia (49), erfüllten sich mit dem von der chilenischen Regierung erhaltenen Geld einen Lebenstraum: Er führt heute ein Obstgeschäft.
Doch auch Kurioses gab es. So zog sich der wohl bekannteste Minenarbeiter Mario Sepulveda (40) fürs Fernsehen aus. Sein als Unter-Tage Jogger und Elvis-Fan bekannter Kollege Edison Peña (35) lief nicht nur den New-York-Marathon mit - er trat beim US-Talkshowmoderator David Letterman als Elvis-Imitator auf.
All das kann jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass die meisten der 33 Kumpel nur schlecht mit ihrem Leben zurecht kommen. Je mehr der Ruhm verblasst, desto deutlicher wird: Das Drame hat ein Trauma hinterlassen. Viele klagen über körperlichen Beschwerden. Andere haben Angstzustände oder Schlafstörungen.
Dann gibt es noch Dinge, die schwer zu erklären sind. Álex Vega (32) zum Beispiel, der eigentlich mit seiner eigenen Autowerkstatt glücklich werden wollte, zieht eine Mauer um sein Haus. Einfach so. Und auch über den Marathon-Läufer Peña gibt es Gerüchte: Er sei alkoholabhängig.
Aus dem großen Geld wurde für die meisten Kumpel nichts. Pablo Rojas (47) treibt es wieder in die Mine - aus Armut: „Ich bin zurückgekehrt, weil es mein Leben ist“, sagt er. „Ich wüsste nicht, was ich sonst tun sollte.“
Andere haben Angst davor, wieder zu arbeiten. So ergeht es José Ojeda (48), der schon mehrmals versucht hat, wieder eine Mine zu betreten – vergeblich. Täglich schluckt er einen Pillencocktail. Mit der Angst wird er dennoch nicht fertig.
Es ist eine Furcht, die durchaus verständlich ist. So liegt die Mine San José zwar seit den Ereignissen brach, doch insgesamt hat sich an der gefährlichen Situation der Minenarbeiter wenig geändert. Auch weil die von Präsident Sebastián Piñera versprochenen Sicherheitsstandards für Minen immer noch nicht durchgesetzt sind.
Stattdessen will Piñera am Freitag ein Museum nahe der Unglücksmine eröffnen: ein Symbol des nationalen Heldentums und der Widerstandskraft der dortigen Arbeiter.
Ob den Kumpeln der Ausstellungsort wirklich etwas nützen wird, ist allerdings fraglich.