Das neue Goldene Dreieck – vom Opium zur Schatten-Enklave

Von Opium zum Glücksspiel: Im Goldenen Dreieck wächst heute ein chinesisches Kasino-Imperium – nur wenige Westler haben es je betreten. Zu Besuch in einem surrealen Schattenreich direkt am Mekong.
Carola Frentzen, dpa |
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Im neuen chinesischen Schattenreich am Goldenen Dreieck regieren Glücksspiel und Prunk.
Im neuen chinesischen Schattenreich am Goldenen Dreieck regieren Glücksspiel und Prunk. © Carola Frentzen/dpa
Chiang Rai

Der Motor heult auf, dann rast das Schnellboot über die braunen Wellen des Mekong – von Thailand in Richtung Laos auf der anderen Seite. Nur wenige Minuten Fahrt – und doch wirkt es wie eine andere Welt: Am Ufer erscheinen goldene Dächer, flankiert von Drachen und Laternen in Lotus-Form. Willkommen in der Golden Triangle Special Economic Zone – einem der surrealsten und abgeschottetsten Orte der Welt.

An der Anlegestelle singen Frauen zur Begrüßung in traditionellen Kostümen, daneben warten Sicherheitskräfte mit Sonnenbrillen. Nach einem Pass fragt jedoch niemand. Stattdessen lädt ein Golfcart in Busgröße zur Stadtrundfahrt, durch ein weitgehend menschenleeres Gebiet. Bei Tageslicht herrscht fast gespenstische Stille. Die wenigen Autos haben nicht einmal Nummernschilder. 

Vom Schlafmohn zum Glücksspiel

Mitten im einstigen Drogen-Dreieck zwischen Thailand, Myanmar und Laos, wo einst Schlafmohn das wichtigste Handelsgut war und der Opium-Handel blühte, erhebt sich heute ein gigantischer Komplex aus Marmor, Glas und Neonlicht: das Kings Romans Casino. Im Internet wird es häufig als "gefährlichstes Kasino der Welt" betitelt.

Es ist das Herzstück einer Sonderwirtschaftszone, die Anfang der 2000er-Jahre von chinesischen Investoren um den Geschäftsmann Zhao Wei geschaffen wurde. Die 3.000 Hektar Land, auf denen seither Bürogebäude, Hotels und mehrspurige Straßen entstanden sind, wurde für 99 Jahre von der Regierung in Laos gepachtet. Eine Art chinesisches Mini-Königreich im laotischen Dschungel.

Zwischen Glitzerwelt und Schattenreich

Nur wenige westliche Besucher haben dieses rätselhafte Niemandsland, kurz GTSEZ genannt, je betreten. Es ist eine Enklave, die wie ein Paralleluniversum wirkt – halb Glitzerwelt, halb Schattenreich. 

Zhao Wei steht derweil seit 2018 wegen "Drogenhandels, Menschenhandels, Geldwäsche, Bestechung und Wildtierhandels" auf der Sanktionsliste des US-Finanzministeriums. Zhao selbst bezeichnet diese Vorwürfe als "haltlos".

Wenn die Dunkelheit über den Mekong fällt, wird der Prachtbau des luxuriösen Kapok Star Hotel mit seinem riesigen Kasino in ein Meer aus Licht getaucht – Farben wandern über die Fassaden, tanzen über Wände und Dächer, als würde das Gebäude selbst pulsieren.

"Die Neonlichter strahlen allabendlich in Richtung Thailand und Myanmar und zeugen von unermesslichem Prunk", schrieb die International Crisis Group (ICG) im vergangenen Jahr in einem Augenzeugenbericht. Im Inneren des Kings Romans Casinos würden hingegen "Millionen von Dollar in bar gegen Chips getauscht – ein ganz offensichtlicher Fall von Geldwäsche". 

Uhren ticken in chinesischer Zeit

An Slot Machines und Roulette-Tischen wird tatsächlich in chinesischen Yuan gespielt, auch die Uhren ticken nach Pekinger Zeit. Kameras sind - wohl aus gutem Grund - im Inneren des Glücksspieltempels streng verboten. Davor parken Rolls-Royce - nur wem sie gehören, bleibt unklar.

Derweil ziehen überall Kräne neue Hochhäuser in den Himmel. Für viele ist das, was sich hinter den Mauern abspielt, eine Mischung aus Faszination und Furcht. Ob er schon einmal drüben war, fragen Touristen einen Kellner auf der thailändischen Seite. Der schüttelt entsetzt den Kopf und winkt ab. "Zu gefährlich", sagt er. Mehr ins Detail geht er nicht.

Mythos Goldenes Dreieck

Das Goldene Dreieck hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt. Das legendäre Grenzgebiet – dort, wo der Ruak River und der Mekong zusammenfließen – ist und bleibt aber ein Drogen-Hotspot. Früher prägten hier der Anbau von Schlafmohn, die Produktion von Opium und die Verarbeitung zu Heroin das Landschafts- und Wirtschaftsbild. Heute ist es noch immer ein wichtiger Umschlagplatz für synthetische Drogen wie Crystal Meth.

Noch in den 1960er- und 1970er-Jahren floss ein Großteil des weltweiten Heroins aus diesen Bergen über Schmuggelrouten nach Bangkok, Hongkong und weiter in den Westen. Erst das sogenannte Royal Project, eine Initiative des damaligen Königs Bhumibol Adulyadej, brachte den Wandel – zumindest in Thailand. 

Ab den 1970er-Jahren förderte es alternative Anbaumethoden – von Kaffee und Tee bis hin zu Erdbeeren und Schnittblumen. Die Regierung schickte Agrarberater in die entlegensten Dörfer, baute Straßen, Schulen und Gesundheitsstationen. Innerhalb weniger Jahrzehnte gelang, was viele für unmöglich hielten: der weitgehende Ausstieg aus dem Opiumanbau. 

Nach Angaben des thailändischen Drogenkontrollamts (ONCB) wurden zwischen 2024/2025 nur noch 13,3 Hektar als illegale Opiumanbauflächen registriert. Zum Vergleich: Auf dem Höhepunkt des Schlafmohnhandels 1983–1984 waren es noch 8.776 Hektar.

Zu Besuch in den Opium-Museen

Flussaufwärts erzählen zwei thailändische Museen die Geschichte des Goldenen Dreiecks. In Sop Ruak steht das 1989 eröffnete House of Opium, vollgestopft mit alten Pfeifen, Waagen und vergilbten Fotografien. Seine Gründerin Patcharee Srimathayakun sammelte jahrzehntelang Zeugnisse jener Zeit, als der Schlafmohn das Schicksal ganzer Dörfer bestimmte.

Wenige Kilometer weiter, in der modernen Hall of Opium, wird die Geschichte museal inszeniert: Ein dunkler Tunnel führt in helle Räume mit Filmen, Fotos und interaktiven Stationen. Das Projekt im Auftrag der königlichen Familie will aufklären – über die zerstörerische Macht der Droge und über die Politik, die sie groß gemacht hat: von den britisch-chinesischen Opiumkriegen im 19. Jahrhundert bis zum Schmuggel über den Mekong.

Heute wirken diese beiden Museen fast wie Gegenpole zur Sonderwirtschaftszone auf der anderen Flussseite: Hier Erinnerung und Aufarbeitung, dort Glitzer und Gier. Getrennt nur vom Mekong – dem legendären Strom, der alles verbindet und alles trennt. "Früher waren das Opium hier die größte Bedrohung, heute ist es China", sagt ein thailändischer Reiseleiter.

Neue Welt mit alten Spielregeln

Wo einst Bergvölker Mohn anbauten, entstehen nun Kasinos, Betonstraßen und Glasfassaden, gespickt mit chinesischen Schriftzeichen. Wo früher Schmuggler ihre Ware in Bambuskörben verschifften, rollen heute Touristenkoffer aus Peking und Shanghai über die Docks. Doch die Spielregeln sind die alten: Geld, Einfluss, Kontrolle.

Vom Aussichtspunkt oberhalb von Sop Ruak sieht man beides – das alte und das neue Goldene Dreieck. Links die friedlichen Dörfer auf thailändischer Seite und die grünen Hügel von Myanmar, rechts, in der Ferne, finster-glänzende Kasinobauten. Boote ziehen über den Fluss, Mönche sammeln Almosen, Kinder spielen am Ufer, und über allem leuchten Thailands goldene Tempel. Einst Synonym für den globalen Drogenhandel, hat sich das "Golden Triangle" auf eine bizarre Art neu erfunden – doch die Versuchung, hier reich zu werden, bleibt.

Hinweis: Diese Meldung ist Teil eines automatisierten Angebots der nach strengen journalistischen Regeln arbeitenden Deutschen Presse-Agentur (dpa). Sie wird von der AZ-Onlineredaktion nicht bearbeitet oder geprüft. Fragen und Hinweise bitte an feedback@az-muenchen.de

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