Das Geschäft mit der Asche

1600 Euro für einen Mietwagen, 800 Euro fürein Zugticket: Die Not der Reisenden ist groß –und das nutzen Geschäftsleute aus. Was Passagiere alles auf ihrer Odyssee erlebten
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Berut Semolie und Ziva Herga mussten 800 Euro zahlen, um in die Heimat zu kommen
Daniel von Loeper Berut Semolie und Ziva Herga mussten 800 Euro zahlen, um in die Heimat zu kommen

1600 Euro für einen Mietwagen, 800 Euro fürein Zugticket: Die Not der Reisenden ist groß –und das nutzen Geschäftsleute aus. Was Passagiere alles auf ihrer Odyssee erlebten

Für die Reisenden ist es einfach nur ein großes Ärgernis, für Geschäftsleute offenbar ein riesiger Gewinn: Weil in den vergangenen Tagen viele Flüge wegen der Aschewolke gestrichen wurden, zahlt man da schon mal 800 Euro für ein Bahnticket – oder 1600 Euro für einen Mietwagen.

Borut Semolic (31) und Ziva Herga (23) mussten tief in die Tasche greifen, um überhaupt in die Heimat zu kommen. Das Pärchen aus Ljubljana war im Urlaub in England und wollte zurück in die slowenische Hauptstadt. „Statt 100 Euro für den Flug müssen wir jetzt 800 Euro für den Zug bezahlen“, sagt Semolic.

Sichtlich erschöpft lehnt sich der Student am Hauptbahnhof auf seinen Gepäckwagen. Seit 30 Stunden sind die beiden schon unterwegs. „Niemand hat uns von der Airline geholfen, wir mussten alles selbst organisieren – und das Geld für den Zug bekommen wir nicht zurück“, sagt Semolic. „Hoffentlich bekommen wir wenigstens die Kosten für das Flugticket erstattet.“

1600 Euro für einen Mietwagen – das erlebte Heinz Kerkhoff (52): „Wir haben am Jakobsweg in Spanien gepilgert und wollten am vergangenen Sonntag wieder zurück in die Heimat“, erzählt der Chefarzt aus dem Sauerland. Am Flughafen im nordspanischen Oviédo erfuhr die Reisegruppe am Sonntag, dass ihr Flug gestrichen wurde – sofort klapperten sie alle Mietwagenzentralen ab. „Es war nur noch ein einziger Wagen verfügbar – und der hat 1600 Euro gekostet!“

Weil mehrere Personen aus Kerkhoffs Reisegruppe dringende Termine hatten, unterschrieben die Deutschen zähneknirschend den Mietvertrag. Die Bedingung: Innerhalb von 24 Stunden musste Kerkhoff den Wagen in Deutschland abgeben. Sonst wären noch einmal 1600 Euro fällig gewesen.

Rund 1900 Kilometer ist das nordspanische Oviédo von Paderborn entfernt. „Wir haben in der ganzen Zeit nur vier Mal eine viertel Stunde Pause eingelegt – und haben es trotzdem gerade so auf den letzten Drücker geschafft.“

Hart traf die Asche-Abzocke auch Maximilian Schnarrer (Name geändert). Der 42-jährige Hochschul-Professor wollte zwei Tage privat in London verbringen – doch daraus wurde eine Woche. Sein erster Easyjet-Flug wurde gestrichen. „Ich hätte zwar Anspruch auf einen kostenlosen Ersatzflug“, sagt Schnarrer. „Doch offensichtlich gab es für diese Flüge nur ein begrenztes Kontingent – und das war schnell erschöpft.“

Das Skurrile: Im Ersatzflieger waren noch genügend Plätze frei. Aber für die sollte man zahlen. Schnarrer wollte nur schnell nach München zurück und kaufte sich den Flug, auf den er eigentlich kostenlosen Anspruch hatte. Doch der wurde gestrichen, also kaufte er sich einen neuen, der ebenfalls abgesagt wurde.

Schließlich nahm er den Zug und kam am Dienstag endlich nach der langen Odyssee an – eigentlich sollte er schon am Donnerstag wieder in der Heimat sein. Er empört sich über die mangelnde Hilfe von Easyjet: „Hier werden die EU-Regularien mit Füßen getreten“, sagt der 42-Jährige. „Eine Frechheit, dass man den Geschädigten nicht alle verfügbaren Plätze zum Umbuchen anbietet, sondern dass man diese Tickets auch noch verkaufen will.“

Insgesamt hat er mit Hotelkosten in London und Paris und dem Zugticket 800 Euro mehr ausgegeben als geplant. Und die zusätzliche Zeit in London konnte er nicht mal nutzen: „Ich war täglich stundenlang im Internetcafé und habe nach Flügen geschaut“, sagt Schnarrer. Easyjet sagte auf AZ-Anfrage: „Der Kunde bekommt sein Geld für die Flüge natürlich zurück.“

Ärgerlich war auch die Reise von Ulrike Persch. Die 29-Jährige war auf Pauschalreise in Barcelona, als die Aschewolke über Europa hereinbrach. Sie kritisiert, dass ihr Reiseleiter ihr nicht bei der Rückkehr half: „Der Flug fiel aus. Erst nach mehrmaliger Rückfrage erhielten wir einen Platz in einem Bus. Hätten wir einfach nur abgewartet, säßen wir wahrscheinlich immer noch in Barcelona.“ Zwar konnte sie wie geplant nach Deutschland zurück – doch aus zwei Stunden Flug wurden 22 Stunden Busfahrt.

Kasanobu Serdarov

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