Concorde-Katastrophe: Wer war daran schuld?

Vor zehn Jahren explodierte das legendäre Überschallflugzeug mit 97 Deutschen an Bord – jetzt stehen mögliche Verantwortliche in Paris vor Gericht
von  Abendzeitung
Schon wenige Sekunden, nachdem sie vom Flughafen in Paris abgehoben hatte, stand die Unglücks-Concorde in Flammen.
Schon wenige Sekunden, nachdem sie vom Flughafen in Paris abgehoben hatte, stand die Unglücks-Concorde in Flammen. © az

Vor zehn Jahren explodierte das legendäre Überschallflugzeug mit 97 Deutschen an Bord – jetzt stehen mögliche Verantwortliche in Paris vor Gericht

PARIS Die Katastrophe ereignet sich am 25. Juli 2000 in Paris. Beim Start explodiert das legendäre Überschallflugzeug Concorde und reißt 113 Menschen in den Tod – davon 97 Deutsche. Die Angehörigen der Opfer erhalten kurz später von der Air France insgesamt 173 Millionen Euro Entschädigung – obwohl die Schuldfrage gerichtlich noch nicht geklärt ist. Das soll erst jetzt geschehen, fast zehn Jahre nach dem Unglück. In Paris begann gestern der mit Spannung erwartete Mammutprozess.

Was passierte damals?

Um 16.42 Uhr beschleunigt die Concorde auf dem Flughafen Charles-de-Gaulle/Roissy. Um 16.43 Uhr und zehn Sekunden rollt, so der dem Prozess zugrunde liegende Untersuchungsbericht, ein Reifen über eine Metall-Lamelle, die kurz zuvor von einer DC-10 der Continental Airlines abgefallen ist. Der Reifen platzt bei Tempo 324 und setzt eine verhängnisvolle Kettenreaktion in Gang. Teile des Reifens werden gegen die linke Tragfläche geschleudert und verursachen eine Schockwelle, die den Tank Nummer fünf von innen aufreißt. Ausströmendes Kerosin entzündet sich. Als die 186 Tonnen schwere Überschallmaschine abhebt, schlagen bereits meterhohe Flammen aus der linken Tragfläche. Der Jet trudelt etwa eine Minute in einer Höhe von etwa 60 Metern, neigt sich nach links und stürzt auf ein Hotel.

Wer ist angeklagt?

Als „juristische Person“ die US-Fluggesellschaft Continental Airline.

John Taylor und Stanley Ford von Continental.

Henri Perrier. Der heute 80-Jährige leitete das Concorde-Programm von 1978 bis 1994.

Claude Frantzen: Er war bei der Flugaufsichtsbehörde für die Concorde verantwortlich.

Was wird ihnen vorgeworfen?

Von einer Continental-Maschine stammt die Metall-Lamelle. Mitarbeiter Taylor soll das später verlorene Teil nicht normgerecht angefertigt und sein Vorgesetzter Ford dies genehmigt haben. Allerdings soll auch geprüft werden, ob Mitarbeiter der Luftfahrtbehörde und des Concorde-Herstellers Aérospatiale Mitschuld am Unglück hatten, weil sie nicht vor den Risiken des Flugzeuges warnten.

Denn schon zuvor hatte es Probleme mit den Reifen des Super-Fliegers gegeben: Beim schwersten Zwischenfall wurden 1979 während eines Starts in Washington ein Triebwerk beschädigt, drei Treibstofftanks durchbohrt und ein großes Loch in die Tragfläche gerissen. Der Anwalt Ronald Schmid, der in einem Zivilprozess Angehörige von 50 deutschen Opfern vertreten hatte, sagt: „Wäre eine Boeing 747 über die Lamelle gerollt, wäre nichts passiert.“

Erst nach dem Absturz ordneten die Luftfahrtbehörden eine technische Umrüstung der Concorde an. Die Tanks wurden mit Kevlarmatten verstärkt, die Kabel im Fahrwerk besser geschützt und widerstandsfähigere Reifen von Michelin aufgezogen.

Kann es auch ganz anders gewesen sein?

Auf jeden Fall hat eine kurz vor Prozessbeginn ausgestrahlte Fernseh-Dokumentation des TV-Senders Canal+ die offizielle Unglücksursache in Frage gestellt. In ihr behaupten etliche Zeugen, dass die Überschallmaschine bereits auf der Startbahn Feuer fing – und zwar bevor sie dort über ein Metallstück rollte. Das führte gestern auch die Verteidigung ins Feld. Außerdem sei das Flugzeug an jenem Tag nicht flugtauglich gewesen, weil es überladen gewesen sei und ein Teil zur Stabilisierung der Räder gefehlt habe. mh

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