Chinesischer Milchskandal: Gericht verhängt Todesstrafen

Harte Urteile: Zwei Mitarbeiter des Sanlu-Milchkonzerns wurden zum Tod verurteilt, die Molkerei-Chefin muss lebenslang in Haft. Die Eltern der durch Melamin vergifteten Babys fühlen sich von Chinas Regierung trotzdem allein gelassen
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Angestellte der Molkerei Sanlu im Prozess. Gegen Zhang Yanjun (dritter von links) wurde die Todesstrafe verhängt. Auch ein Kollege wurde zum Tode verurteilt.Fotos: AP
az Angestellte der Molkerei Sanlu im Prozess. Gegen Zhang Yanjun (dritter von links) wurde die Todesstrafe verhängt. Auch ein Kollege wurde zum Tode verurteilt.Fotos: AP

Harte Urteile: Zwei Mitarbeiter des Sanlu-Milchkonzerns wurden zum Tod verurteilt, die Molkerei-Chefin muss lebenslang in Haft. Die Eltern der durch Melamin vergifteten Babys fühlen sich von Chinas Regierung trotzdem allein gelassen

PEKING Die Urteile sind sehr hart. Und den Eltern der toten Babys in China helfen die Strafen nicht weiter: Im Skandal um mit Melamin verseuchte Babymilch hat ein Gericht in der Stadt Shijiazhuang jetzt zwei Männer zum Tode verurteilt. Dem 40-jährigen Zhan Yujun warf das Gericht vor, Melamin in großem Stil hergestellt zu haben. Geng Jinping soll die Chemikalie in die Milch gemixt haben. Beide Männer werden nun vermutlich erschossen.

Die Chefin der Molkerei Sanlu, Tian Wenhua, muss lebenslänglich hinter Gitter. Zuvor hatte Tian eingeräumt, monatelang von der gefährlichen Milchverunreinigung gewusst zu haben, die Informationen aber für sich behalten zu haben. Insgesamt standen 21 Angeklagte vor Gericht, viele von ihnen erhielten hohe Haftstrafen von bis zu zehn Jahren. Und noch eine weitere Todesstrafe wurde gegen einen Angestellten des Konzerns ausgesprochen, sie wurde aber für zwei Jahre auf Bewährung ausgesetzt und kann in eine Haftstrafe umgewandelt werden.

Sechs Babys starben, 300 000 sind krank

"Das ist nicht genug", klagt Hou Longbo. "Tian Wenhua hätte auch mit dem Leben bezahlen müssen." Während drinnen im Gerichtsgebäude das Urteil verkündet wird, hat Hou draußen gemeinsam mit anderen Eltern eine Protest-Kundgebung organisiert. Sein einjähriger Sohn wurde gestern eingeäschert – er war an Nierensteinen gestorben, verursacht durch die gefährliche Chemikalie. Insgesamt starben im vergangenen Jahr mindestens sechs Babys an Nierensteinen, fast 300000 Säuglinge sind krank, viele davon werden es ihr Leben lang bleiben. Weil sich Chinas Führung im Sommer die Olympischen Spiele nicht durch Skandal-Nachrichten verderben lassen wollte, wurden die Massenerkrankungen lange vertuscht. Erst als Krankenhäuser über Überfüllung klagten, drang die Nachricht nach außen.

Den Eltern nutzt die Verurteilung nicht viel – sie kritisieren das Verfahren als Schauprozess, als medienwirksame Demonstration der vermeintlichen Fürsorge der chinesischen Regierung. Dabei ist im offiziellen Urteil nicht mehr die Rede von "giftiger" Nahrung – nur noch von "qualitativ unzureichender".

Mit Melamin werden übrigens unter anderem Tischplatten zusammengeleimt. Und von dem damals versprochenen Recht auf kostenlose Behandlung will Peking heute nichts mehr wissen.

Manche Eltern werden inzwischen von der Polizei bedroht

Zhou Jing hat einen eineinhalb Jahre alten, kranken Sohn. "In kleinen Kliniken sagen sie mir, die Nierensteine sind so groß, da könne man nichts machen. Und in den modernen Krankenhäusern wollen sie 50000 Yuan für die Behandlung haben." Umgerechnet sind das 5550 Euro. Das Geld hat er nicht. Wenn nichts passiert, wird sein Sohn sterben. Dazu kommen die anonymen Drohungen, der Polizei-Terror: "Sie sagen, wenn ich weiter Ärger mache, bedeutet das nichts Gutes für meine Familie", sagt Zhou. "Es ist eine Schande."

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