Brutal durch PC-Spiele?
MÜNCHEN - Nach dem Amoklauf in Winnenden ertönt wieder der Ruf nach Zensur der sogenannten "Killerspiele". Die fanden Beamte bei dem Täter Tim K. Experten streiten über digital vermittelte Gewalt.
Der Amokläufer von Winnenden war ein begeisterter „Counter Strike“-Spieler. Außerdem spielte er „Crysis“, auch das ein so genannter Egoshooter, bei dem sich der Spieler als Mitglied einer US-Spezialeinheit gegen allerlei Feinde durchschlagen muss. Waren die gewaltverherrlichenden Spiele der Auslöser für seine Tat?
Wie gefährlich digitale Gewaltspiele sind, ist umstritten. Winfried Kaminski vom Kölner Institut für Medienforschung und Medienpädagogik glaubt, „dass Jugendliche sehr wohl zwischen realer und virtueller Welt unterscheiden können“. Klaus Jantke, vom Fraunhofer-Institut für digitale Medien in Erfurt geht davon aus, dass gewaltverherrlichende Spiele allenfalls „der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat“, sein können. Das hieße: Gefährlich für die Allgemeinheit sind Lebensumstände, durch die sich Kinder in eine Zwickmühle gedrängt fühlen.
Alle Amokläufer hatten bisher ein Faible für Gewalt-Computerspiele
Fest steht allerdings: Nicht jeder Liebhaber von gewaltverherrlichenden Computerspielen wird ein Amokläufer, aber alle Amokläufer hatten bisher ein Faible für Gewalt-Computerspiele – Robert Steinhäuser, der 2002 am Erfurter Gutenberg-Gymnasium 16 Menschen und sich selbst tötete, genauso wie Bastian B., der 2006 an der Geschwister-Scholl-Realschule in Emsdetten um sich ballerte, bevor er sich selbst erschoss.
Untersuchungen im Tomographen zeigen, dass das Hirn Computerspiele ähnlich verarbeitet wie Begegnungen in der realen Welt. Wenn sich ein Spieler am Bildschirm einen Schusswechsel mit einem virtuellen Feind liefert, unterdrückt sein Gehirn Mitleid, als müsste der Spieler tatsächlich schnell und kaltblütig reagieren. Klaus Mathiak, Professor für Experimentelle Verhaltenspsychobiologie an der Technischen Hochschule Aachen, findet das bedenklich: Durch die vieltausendfache Wiederholung der Bedrohungsszenarien im Spiel sei es „vorstellbar, dass man lernt, Gefühle nicht wahrzunehmen“. Problematisch könne das bei Menschen sein, die dazu neigen, sich zurückzuziehen.
Nicht nur PC-Software verherrlich freilich die Gewalt. „Mein Tag ist endlich gekommen, ich hab’ die Pumpgun aus dem Schrank in meine Hände genommen“, singt der Hamburger Rapper Swiss. Ab geht’s in die Schule, wo Mädchen entsetzt kreischen, als der Held des Liedes die Tür zum Klassenzimmer eintritt und dem Lehrer eine Kugel in den Kopf jagt. Provozierende Verse, übers Internet konsumierbar. Wer digitale Gewaltspiele verbieten will, müsste konsequenterweise auch solche Songs verbieten.
sun
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