Brandenburg: Warten auf die Flut

Die Flut kommt früher und heftiger als gedacht. Die Deiche werden rund um die Uhr bewacht, Experten rechnen mit dem zweithöchsten Hochwasser, das die Oder je erlebt hat.
von  Abendzeitung
Die Oder ist in Breslau über die Ufer getreten
Die Oder ist in Breslau über die Ufer getreten © dpa

Die Flut kommt früher und heftiger als gedacht. Die Deiche werden rund um die Uhr bewacht, Experten rechnen mit dem zweithöchsten Hochwasser, das die Oder je erlebt hat.

Es kommt schneller, und es kommt mehr“, so sagt es ein Sprecher des Umweltministeriums. Eigentlich waren die Experten von einer flachen, lang anhaltenden Flut ausgegangen. Doch jetzt spitzt sich die Lage zu. Im Landkreis Oder-Spree wurde Mittwochmorgen schon Alarmstufe 3 ausgerufen. Der Anstieg verdoppelte sich auf zwei Zentimeter pro Stunde. Der Pegel in Ratzdorf an der Neißemündung lag schon um 14 Uhr bei 5,83 Meter und damit nur noch sieben Zentimeter unter dem Richtwert für die Stufe 4. Das Hochwassermeldezentrum rechnete damit, dass noch am Mittwoch für den südlichen Oder-Abschnitt von Ratzdorf bis zur Stadtgrenze von Frankfurt sowie für den Mündungsabschnitt der Neiße die höchste Hochwasser-Alarmstufe 4 ausgerufen wird. Rund um die Uhr beobachten Deichläufer, ob noch alles hält.

Bei Alarmstufe 4 werden Deiche erhöht und Evakuierungen vorbereitet. „Jetzt kriegt man langsam den Ernst der Lage mit“, sagt Matthias Freude, Chef des Brandenburgischen Umweltamtes. Die Vorbereitungen auf die Katastrophenabwehr laufen auf Hochtouren. „Jeder weiß, wer was zu tun hat“, sagt Matthias Freude. „Die Sandsäcke liegen da, die Landräte sind informiert“. In Frankfurt/Oder wurden rund 5000 Sandsäcke an die Bewohner der südlichen Vorstadt verteilt. In der Frankfurter Nachbarstadt Slubice, die tiefer als die deutsche Grenzstadt liegt, wird nach Angaben der Tageszeitung „Gazeta Lubuska“ bereits das nahe der Oder gelegene Krankenhaus evakuiert. Der Bürgermeister von Slubice rief die Einwohner auf, die Stadt über das Wochenende freiwillig zu verlassen. Hintergrund ist insbesondere die Furcht vor Grundwasser, das durch die Abwasserkanäle aufsteigt.

Der Brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck hat wegen des Hochwassers seinen Pfingsturlaub abgebrochen. Er will heute an die Oder kommen und sich informieren. Der brandenburgische Innenminister Rainer Speer hat seine Teilnahme an der Innenministerkonferenz in Hamburg abgesagt.

Platzeck war schon bei der Jahrhundertflut 1997 als Krisenmanager im Einsatz. Damals war er noch Umweltminister von Brandenburg und brachte sich den Spitznamen „Deichgraf“ ein. Die Erinnerung an die Flut von 1997 macht den Menschen in der Region immer noch Angst. Damals waren 45000 Soldaten und freiwillige Helfer Tag und Nacht im Einsatz. „Ich bin weiß Gott nicht gläubig. Aber ich bete mehrmals täglich“, sagt die Rentnerin Renate Ullrich.“ Sie wohnt am Frankfurter Buschmühlenweg, der bereits 1997 wochenlang überflutet war. Die Stelle, an der ihr Haus steht, sei eine der tiefsten. Der Keller ist bereits ausgeräumt, Fenster abgedichtet und Gummihosen, wie sie Angler tragen, hängen bereit. „Die sind noch von vor 13 Jahren“, erzählt Ullrich.

Eine solche Katastrophe wird es nicht wieder geben, da ist Matthias Freude sicher. „Das Hochwasser kommt dicke, aber nicht ganz so hoch wie 1997“, sagt er. Und: „Wir haben sehr viel bessere Deiche.“ Fast alle wurden nach 1997 saniert, dennoch gibt es Schwachstellen, wie zwei fünf Kilometer lange Deichabschnitte, die noch im Zustand von 1950/60 sind.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hat den Deichbau kritisiert. Die nationalen und europäischen Hochwasserschutzgesetze würden nur zögerlich umgesetzt, das sei der Grund für die Hochwassergefahren in Polen und Deutschland. Man müsse Flüssen mehr Raum geben. ta

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