Böll-Sohn will wegen Archiv-Einsturz "notfalls" Stadt Köln verklagen

Der Einsturz des Kölner Stadtarchivs vor genau einem Jahr sei eine "absolute Katastrophe" für die Böll-Forschung, sagt der Sohn des großen Schriftstellers, René. Für ihn steht der Schuldige klar fest: Die Stadt. Sie habe den U-Bahn-Bau nicht kontrolliert.
von  Abendzeitung
Vieles liegt verborgen unter Trümmern
Vieles liegt verborgen unter Trümmern © dpa

KÖLN - Der Einsturz des Kölner Stadtarchivs vor genau einem Jahr sei eine "absolute Katastrophe" für die Böll-Forschung, sagt der Sohn des großen Schriftstellers, René. Für ihn steht der Schuldige klar fest: Die Stadt. Sie habe den U-Bahn-Bau nicht kontrolliert.

Für den Sohn von Schriftsteller Heinrich Böll, René Böll, trägt die Stadt Köln die Hauptschuld am Einsturz des Stadtarchivs vor einem Jahr. Sie habe den Bau der U-Bahn in Auftrag gegeben und organisiert, ihn jedoch nicht kontrolliert, sagte er dem “Deutschlandradio Kultur” am Mittwoch. Bislang habe aber niemand die Verantwortung für das Geschehen übernommen. Zusammen mit anderen Kölner Kulturschaffenden überlege er, gegen die Stadt notfalls auch gerichtlich vorzugehen.

Noch immer habe er keinen Überblick darüber, wie viel durch den Einsturz aus dem Nachlass seines Vaters verloren gegangen sei. “Es sind wohl einige Teile gefunden worden, aber was konkret gefunden worden ist, wissen wir gar nicht”, erklärte Böll. Das Stadtarchiv sei derzeit vor allem damit beschäftigt, das Material zu retten.

"Notfalls werden wir klagen"

“Notfalls werden wir klagen. Wir werden natürlich versuchen, uns außergerichtlich zu einigen, aber bisher ist niemand von der Stadt auf uns zugekommen”, sagte der Sohn des Schriftstellers.

Aus Sicht Bölls ist der Einsturz des Stadtarchivs eine “absolute Katastrophe” für die Böll-Forschung - selbst wenn das Material wiedergefunden werde. Ein großer Teil des Nachlasses war seinen Angaben zufolge erst rund drei Wochen vor dem Einsturz an das Stadtarchiv übergeben worden. Darunter seien 400 Manuskripte, mehrere tausend Briefe, 6.000 bis 8.000 Fotos und Dokumente der gesamten Familiengeschichte gewesen. “Es wird ja Jahrzehnte dauern, die Sachen wieder zusammenzuführen”, sagte er in dem Interview. Ein Glücksfall sei aber gewesen, dass ein großer Teil der Manuskripte seines Vaters im Heinrich-Böll-Archiv ausgelagert gewesen sei.

Bau-Pfusch bei der U-Bahn

Das Stadtarchiv war am 3. März vergangenen Jahres an einer von Bau-Pfusch betroffenen U-Bahn-Grube in Köln eingestürzt. Zwei Menschen starben; zahlreiche wertvolle Archivalien wurden verschüttet. Die genaue Ursache für das Unglück ist trotz monatelanger Ermittlungen weiter unklar. Ein Zusammenhang zu den Pfuschereien, bei denen stabilisierende Eisenbügel nicht in ausreichender Zahl verbaut wurden, soll nicht bestehen.

Ein Zivilprozess gegen die Stadt ist wegen des Einsturzes bereits anhängig: Drei Leihgeber fordern von der Stadt Köln die Herausgabe ihrer Archivalien und Schadenersatz. Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts wird für den 16. März erwartet.

(apn)

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