Behandlungsfehler: Diese Rechte haben Sie als Patient!

München - Alle Jahre wieder veröffentlichen Statistiker Zahlen über vermeintliche oder tatsächliche Behandlungsfehler von Ärzten. Für 2014 wurden vom Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) 14 660 Verdachtsfälle aufgelistet, nur in gut einem Viertel hat sich der Verdacht bestätigt. Schätzungen gehen jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus.
Was daraus folgt: Betroffene bleiben häufig ratlos mit ihrem gesundheitlichen Schaden zurück.
Diese Rechte haben Sie als Patient!
Was gilt als „Behandlungsfehler“?
Darunter ist laut dem Gesundheitsministerium eine nicht ordnungsgemäße, etwa unsorgfältige oder nicht den anerkannten medizinischen Standards entsprechende Behandlung eines Arztes zu verstehen. Unterschieden wird zwischen medizinischen und organisatorischen Fehlern sowie Schludrigkeiten einer zuarbeitenden Person. Zu einem Behandlungsfehler zählen auch eine fehlende sowie falsche Aufklärung über Eingriffe und den verbundenen Risiken.
Was tun, wenn man nach der OP krank ist?
Grundsätzlich gilt nach dem im Februar 2013 in Kraft getretenen Patientenrechtegesetz, dass der Arzt oder Behandelnde zur wahrheitsgemäßen Auskunft verpflichtet ist, wenn ein Patient nach einem Behandlungsfehler fragt. Diese Vorstellung kritisieren aber nicht wenige Fachleute als reichlich naiv.
Ist jeder Verdachtsfall gleich ein Pfusch?
Wie viele der Verdachtsfälle tatsächlich Behandlungsfehler sind, ist schwer zu sagen. Dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) wurden 2014 rund 14 660 vermutete Behandlungsfehler angezeigt. Nur in 26 Prozent der Fälle konnte ein Behandlungsfehler nachgewiesen werden, zum überwiegenden Teil mit Schadensfolgen.
Der Medizinrechtsexperte der TK, Christian Soltau, stellt klar: „Längst nicht jeder Verdachtsfall entpuppt sich als Fehler. Oftmals handelt es sich auch um einen schicksalhaften Verlauf, wobei der Unterschied für den Patienten nur schwer erkennbar ist.“
Wie hoch ist die Dunkelziffer?
Relativ hoch – „etwa weil viele nicht wissen, an wen sie sich wenden können“, erläutert Soltau. Schätzungen über die bundesweite Zahl der Behandlungsfehler reichten nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums von 2015 von jährlich 40 000 bis 170 000.
Soll ein Patient den Arzt direkt mit seinem Problem konfrontieren?
Der Fachanwalt für Medizinrecht, Thomas Köppke, mahnt zur Zurückhaltung. Den behandelnden Arzt direkt den Vorwurf entgegenzuschmeißen, er habe gepfuscht, verhärte die Fronten unnötig und sei auch taktisch unklug.
Anwalt Köppke rät Patienten, ein Gedächtnisprotokoll über den Ablauf der Behandlung anzufertigen und sich eine Kopie der Behandlungsakten geben zu lassen.
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Wie geht es weiter? Klage? Kosten? Unterstützung?
Was ist der nächste Schritt?
Ein Gespräch mit der Krankenkasse oder einem Anwalt. Dieser kann nicht nur die Erfolgsaussichten einschätzen, sondern auch das weitere Vorgehen – und die Kosten. Bei Begründung der Ansprüche regulieren viele Haftpflichtversicherer der Ärzte außergerichtlich oder bieten ein Schlichtungsverfahren auf ihre Kosten an.
Wer kann klagen?
Jeder Patient, der vermutet, er sei Opfer eines Behandlungsfehlers geworden. Doch bei schweren Schädigungen sind Gerichtskosten und Kosten für Gutachter und Anwälte ohne Rechtsschutz oft eine unüberwindbare Hürde. Dann wird die Unterstützung durch die Krankenkasse entscheidend.
Rechtsexperte Soltau erläutert: Sollte sich ein Verdacht erhärten, kann die Krankenkasse Gutachten erstellen. Beschreite die TK den Klageweg, „übernimmt sie für den Versicherten eine Vorreiterrolle im Verfahren“. Dieser müsse nur dafür sorgen, dass seine eigenen Ansprüche nicht verjähren.
Besteht ein Anspruch auf Unterstützung der Kasse? Nein. Ausschlaggebend ist, wie die Krankenkasse die Erfolgsaussichten einschätzt. 2015 hat etwa die TK in 1460 Fällen Gutachtenaufträge erstellt. 68 Fälle wurden vor Gericht verhandelt.
Lohnt sich eine gerichtliche Auseinandersetzung immer?
Oft dauern Gerichtsverfahren zehn Jahre und länger. Bei älteren Patienten sei zu beobachten, dass die gegnerische Seite versuche, auf Zeit zu spielen, meint Köppke. Er setzt deshalb auf außergerichtliche Gutachterverfahren und die Zusammenarbeit mit Krankenkassen.
Was muss sich ändern?
Nach Soltaus Worten sind Opfer von Behandlungsfehlern häufig in ihrer Existenz bedroht. Dennoch müssten sie oft Jahre warten, bis klar sei, ob sie Schadenersatz erhalten. Verfahren „müssen schneller abgewickelt und die Betroffenen frühzeitig entschädigt werden“, verlangt er.
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Wo Sie Hilfe bekommen
Um Gutachten kümmert sich beispielsweise die Gutachterstelle bei der Bayerischen Landesärztekammer (www.gutachterstelle-bayern.de, Tel. 089/ 30 90 48 30). Auch Krankenkassen bieten kostenfreie Unterstützung an.
Zudem gibt es viele freie Beratungsstellen, z.B. die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (Tel. 0800/0 11 77 22, kostenfrei aus dt. Festnetz) oder die pantientInnenstelle München (Tel. 089/77 25 65, www.gl-m.de).