Aus Narkose nicht mehr erwacht: Tödlicher Zahnarztbesuch
HALLE - Der zweijähriger Hannes hat Karies, bekommt eine Vollnarkose und stirbt. Jetzt steht der Anästhesist vor Gericht. „Es ist mit Kanonen auf Spatzen geschossen worden“, sagt der Anwalt.
Der Routine-Gang zum Zahnarzt endete tödlich: Der zweijährige Hannes hatte Karies, doch wollte seinen Mund nicht öffnen. Beim Zahnarzt bekam das Kind eine Vollnarkose, aus der es nicht mehr erwachte.
Seit Dienstag steht Ronald R., der verantwortliche Anästhesist aus Zeitz in Sachsen-Anhalt, vor Gericht. Die Anklage lautet auf Körperverletzung mit Todesfolge. Der Anästhesist soll ein Gerät verwendet haben, das nicht für ein Kleinkind geeignet war. Dadurch soll er die mangelnde Sauerstoffversorgung des Jungen nicht rechtzeitig bemerkt haben, der Junge starb.
Der Fall ereignete sich im Januar 2009. Hannes’ Mutter schilderte gestern die Ereignisse. Wegen der Karies ihres zweijährigen Sohnes sei sie mehrmals bei einer Zahnärztin gewesen, „aber er wollte den Mund nicht aufmachen“. Daher habe die Ärztin sie an den Spezialisten Ronald R. (53) überwiesen.
Dieser entschied: Vollnarkose. Ein fataler Fehler, wie der Anwalt der Eltern schildert: „Es ist mit Kanonen auf Spatzen geschossen, wenn Sie bei einem Kleinkind mit leichtem Zahnschaden Vollnarkose geben“, sagte Rechtsanwalt Frank Teipel. Das von dem Angeklagten eingesetzte Narkosegerät sei zudem völlig veraltet gewesen, weil es noch aus DDR-Zeiten stamme.
Der 53-jährige Arzt äußerte sich zunächst nicht zum Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge. „Er bedauert den Tod des kleinen Hannes zutiefst. Es ist ihm bewusst, dass das Leid der Eltern unermesslich ist“, hieß es in einer Erklärung, die der Anwalt des Mannes verlas. Der Angeklagte habe 30 Jahre lang als Narkosearzt gearbeitet, ohne dass es einen Zwischenfall gegeben habe. Sein Mandant habe das Leben des Kindes unter keinen Umständen gefährden wollen, sagte der Anwalt.
Für den Fall einer Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge ist laut Strafgesetzbuch eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren möglich. Das Landgericht Halle will bis zum 9. September verhandeln.
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