Arme Gletschermumie: Ötzi hatte es am Herzen
Und wieder haben die Forscher dem 5300 Jahre alten Gletschermann ein Geheimnis entlockt: Er war herzkrank und litt an Lactose-Intoleranz
BOZEN - Er ist eine verschrumpelte, bräunliche Mumie. Er lag 5000 Jahre lang im ewigen Eis des Ötztal-Gletschers. Man weiß, welche Kleidung der frühe Südtiroler trug, welche Werkzeuge er dabei hatte und was er kurz vor seinem gewaltsamen Tod gegessen hatte. Und jetzt auch noch das: Ötzi litt an einer Lactose-Intoleranz und an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung, die man beide bisher für moderne Zivilisationskrankheiten hielt. Das ergaben die Erbgut-Analysen des Gletschermannes durch das Team um den Bozener Forscher Albert Zink.
Vor 21 Jahren waren die Überreste des Steinzeitmenschen am Südtiroler Hauslabjoch gefunden worden. Seither wurde Ötzi fast pausenlos untersucht – er dürfte die besterforschte Mumie der Welt sein. Selbst das Bozener Archäologiemuseum, in dessen Besitz sich die Mumie befindet, hat keinen Überblick mehr, wie viele Forschungsteams sich mit dem Mann aus dem Eis beschäftigt haben.
Die neuesten in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlichen Ergebnisse sind Teil der DNA-Analyse, die seit Herbst publiziert wird. Danach hatte Ötzi braune Augen und Haare. Jetzt ließen sie sogar einen Blick in die „Krankenakte“ zu. Unter anderem ist jetzt die Ursache für eine bereits bekannte Arterienverkalkung geklärt, unter der Ötzi gelitten hatte, schreiben die Forscher. Diese Krankheit wird heute vor allem auf fetthaltiges Essen, Rauchen und Bewegungsmangel zurückgeführt – Auslöser, die bei dem Mann aus der Jungsteinzeit ausgeschlossen werden können.
Bei Ötzi seien genetische Ursachen für die Erkrankung gefunden worden. „Es zeigt, dass Herz-Kreislauferkrankungen keineswegs moderne Zivilisationskrankheiten sind“, sagt Zink. Außerdem litt der Gletscher-Mann an einer Milchzucker-Unverträglichkeit. „Auf dem Weg zur Sesshaftwerdung mit Ackerbau und Viehzucht wird es für ihn schon schwierig gewesen sein, dass er keine Milch vertragen konnte“, sagte Carsten Pusch, der die genetischen Untersuchungen an der Universität Tübingen geleitet hat.
Die beiden Diagnosen sollen nicht die letzten Geheimnisse gewesen sein, die Ötzi entlockt worden sind – moderne Methoden könnten der verschrumpelten Mumie noch mehr Überraschungen entlocken.
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