Ansturm auf St. Pölten
Der Prozess gegen den Amstettener Josef F. stürzt die kleine Stadt in ein großes Chaos
ST. PÖLTEN In drei Wochen beginnt einer der aufsehenerregendsten Prozesse in der österreichischen Nachkriegsgeschichte – doch schon heute ist der Schauplatz St. Pölten eine Stadt im Ausnahmezustand. Im dortigen Gericht wird dann über den Fall des Amstetteners Josef F. verhandelt. Der hatte vor fast 25 Jahren seine damals 17-jährige Tochter in ein Kellerverlies eingesperrt, sie insgesamt 24 Jahre lang gefangen, immer wieder vergewaltigt und geschwängert (AZ berichtete).
Der Prozess stößt nicht nur in Österreich auf enormes Interesse. Hunderte Journalisten aus der ganzen Welt haben sich akkreditiert. Sie kommen aus den USA, aus Russland – sogar ein Team des arabischen Senders Al Dschasira wird aus der niederösterreichischen Hauptstadt berichten.
Das stellt die 50000-Seelen-Stadt vor einige logistische Probleme. Schon jetzt werden die technischen Voraussetzungen für das Medien-Ereignis geschaffen. Die Stadt lässt Stromverteiler-Stationen für die TV-Teams bauen. Für ARD, ZDF und BBC, die im Stadthotel arbeiten werden, werden von der österreichischen Telekom eigene Telefonleitungen von der Straße durch die Fenster verlegt. Zudem wird Platz geschaffen für die Satelliten-Übertragungswagen der Sender.
Das Bundesdenkmalamt arbeitet daran, Römer-Ausgrabungen bis zum Prozessbeginn zu beenden, die ausgerechnet in der Umgebung des Gerichtsgebäudes stattfinden. Hektisch geht es auch in der Hotellerie des Ortes zu, über die ein noch nie erlebter Gästeansturm hereinbricht. „Juhu schreien wir nicht gerade“, sagt Tourismuschefin Eva Prischl, „es gäbe bei weitem schönere Dinge, um das Incoming in St. Pölten zu pushen“.
„Wir sind ja nicht der Hort des Schwerverbrechens, sondern nur der Prozess-Ort“, rückt Rathaussprecher Peter Bylica falsche Bilder gerade – beglückt aber jeden Berichterstatter zur Vorsicht mit einer Imagemappe, in der „wir auf die schönen Seiten unserer Stadt aufmerksam machen“.
Rund 1000 Gästebetten hält St. Pölten vor, aber nur knapp die Hälfte rangiert im gehobenen Segment (drei und vier Sterne), und die ist jetzt schon rappelvoll. „Wir sind absolut an der Kapazitätsgrenze“, sagt Eva Prischl dem „Kurier“. „Ein Wahnsinn, was sich da abspielt“, so auch Stadthotelier Martin Hauser, dessen 28 Zimmer seit langem ausgebucht sind; ein deutsches Team hat sogar vom 9. bis zum 22. März reserviert.
Zu schaffen machen den Behörden auch zwei Großdemonstrationen von Opferschutzorganisationen, die für die fünf Prozesstage angekündigt sind. mh